Lästiges Übel oder gute Seemannschaft?
Von Gottfried Titzl Rieser
Da sitze ich am Navitisch, fest verkeilt, damit mich die bockende Yacht nicht abwirft. Wir segeln am Wind, der mit 25
Knoten – in den Böen bis 28 Knoten ganz ordentlich bläst. Am Kartenplotter kann ich den Kurs gut mitverfolgen, die elektronische Wegpunktnavigation gibt mir den Hinweis, wir können jetzt wenden, und haben dann einen Anliegerkurs direkt zum Tagesziel. Der Computer rechnet permanent mit und alle 60 Sekunden wird der Standort gespeichert.
Mann oh Mann, wie haben die Skipper und Navigatoren das früher gemacht mit Logbucheintragungen, Standortbestimmung, Abdrift durch Strom und Wind berechnen, mit klammen Fingern den Bleistift so zu halten, dass die Mine nicht abbricht.
Brauchen wir heute überhaupt noch ein Logbuch? Hat das Computerzeitalter im 21. Jh. das gute alte Logbuch obsolet gemacht? Damit gleich klar Schiff ist: Das Logbuch wird als Dokument gewertet, in straf- und zivilrechtlichen Verfahren wird es als Beweismittel herangezogen. Auf kroatischen Yachten (Charteryachten!) ist die Führung des Logbuchs verpflichtend. Aber: Auf österreichischen Yachten gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Führung eines Logbuchs.
Nur: Kann der Skipper im Streitfall kein Logbuch vorweisen, hat er die schlechteren Karten, weil er eben keinen Beweis vorlegen kann. Beispiel gefällig? Während eines Anlegemanövers springt ein Crewmitglied an Land, rutscht aus und bricht sich den Arm. Steht im Logbuch, dass eine Einweisung vor Törnantritt durchgeführt und dabei ausdrücklich hingewiesen wurde, dass „Springen“ ein absolutes No-Go sei, hat sich der Skipper damit haftungsfrei gestellt.
Und sollte sich ein Crewmitglied in späteren Jahren zum Skipper weiter ausbilden, so muss der Nachweis seiner seemännischen Praxis durch ein Logbuch erfolgen.
Was soll ins Logbuch?
In erster Linie natürlich die Angaben des Törns: Abfahrt, Ankunft, wer in welcher Funktion an Bord ist, die Aufgabenverteilung, Ereignisse, allfällige Pannen, Mängel auf einer Charteryacht.
Es ist auch ratsam, Sicherheitseinweisungen einzutragen, Segel- und Motoreinstellungen, Wetterberichte, Kurse, Beobachtungen, aber auch Notrufe, die über Seefunk empfangen werden und Navtex-Suchmeldungen. Damit komme ich ins Computer-Zeitalter: Es gibt viele Apps, welche die Logbucheintragungen erleichtern: Die Tagestracks werde automatisch mitgeschrieben, Distanzen, Zeiten, Positionen, um all das kümmert sich der Computer. Per Hand werden aber dennoch die aktuellen Ereignisse, die Checks, (Motor, Pantry, Wasser, Diesel u. v. m.) eingetragen.
Mein Fazit:
• Die Führung eines Logbuchs ist zum Selbstschutz des Skippers und der Crew notwendig!
• Ein gut geführtes Logbuch entspricht guter Seemannschaft!
• Ob das Logbuch in gebundener Buchform, in Form einzelner Blätter (= Kladden) oder mittels Tablet bzw. Laptop geführt wird, ist Geschmackssache. Ich empfehle allerdings die handschriftliche Führung des Logbuches – im Falle eines Unfalles müsste ich der Hafenpolizei oder Küstenwache mein Tablet aushändigen.
• Elektronische Logbücher/Apps sind hinsichtlich gefahrener Tracks genauer als die händisch geführten Aufzeichnungen.
• Ich habe ein kleines Notizbuch, darin notiere ich während des Törns meine Beobachtungen. ≤
Gottfried Titzl Rieser, langjähriger Ausbildungsreferent des YCA und seit 2022 Commodore des größten Yachtclubs Österreichs. Er ist passionierter Fahrtensegler und hat rund 25.000 Seemeilen in seinen Logbüchern dokumentiert. Sein Motto: „Die See ist der beste Lehrmeister!
Fotos: Evgeniy Voytik/hutterstock, privat