Wer in exotischen, entfernten Revieren auf seinem Schiff lebt, muss mitunter sein eigener Arzt sein. Einer, der seit Jahrzehnten so lebt und schon wiederholt in kritischen Situationen war, ist Abenteurer und Seglerlegende Wolfgang Hausner. Hier sein Bericht.
Glücklicherweise erfreue ich mich immer bester Gesundheit, aber einmal holte ich mir doch eine milde Version von Denguefieber auf den Marquesas. Das Fieber kam aber erst nach der Abfahrt zum Ausbruch, was vom Timing her gut war. Der Kat segelte selbstständig und als sich die Tuamotus über den Horizont schoben, hatte ich bereits wieder einen klaren Kopf, um mich zwischen den Atollen hindurch zu schlängeln.
Das zweite Mal erwischte es mich auf den Philippinen, während ich mit Taboo III am Strand in der Bucht von Tambobo auf der Insel Negros lag. Man sagt, die zweite Attacke von Denguefieber sei immer kräftiger und gefährlicher. Nachdrücklicher als ich kann das der Schweizer Roland bestätigen – wenn auch nur aus dem Jenseits.
Innerhalb von zwei Tagen stieg meine Temperatur auf 41 °C, meine Knochen schmerzten, die Beine schwollen an und verfärbten sich rot, der Kopf brummte und ich schwitzte jede Menge. Im Prinzip gibt es keine sinnvolle Behandlung außer genug Flüssigkeit einzunehmen. Von Aspirin ist abzusehen, weil damit das Risiko von internen Blutungen vergrößert wird.
Nicht ganz so eindeutig war die Erkrankung ein Jahr zuvor. Während ich mit Gästen segelte, schwoll plötzlich mein rechtes Bein an. Siegmund, ein Zahnarzt aus dem Norden Deutschlands, hatte gleich eine Diagnose bereit: „Du hast ein Ödem“. Einen Tag später fiel ich beim Aufstehen gleich einmal der Länge nach hin, so stechend war der Schmerz durch die plötzliche Belastung. Anscheinend eine akute Form von Ödem. Siegmund riet mir daraufhin zu einer elastischen Bandage. Ödem oder nicht, mein angeschwollener Lymphknoten in der Leistengegend und die rotblaue Farbe des Beines ließen mich auf eine saftige Infektion schließen. Ich kramte in meiner Apothekenlade herum und fand ein noch nicht abgelaufenes Antibiotikum. Die Besserung war minimal.
Einige Tage später hatte ich neue Gäste, die in Boracay zustiegen. Einer davon war Michael, Internist aus Wien. „Was hast du da am Bein?“, fragte er gleich.
„Mein letzter Mediziner an Bord meinte, das wäre ein Ödem“, sagte ich.
„Unsinn, das ist ein Rotlauf, mit einer Blutvergiftung ist nicht zu spaßen“.
Natürlich passieren auch Unfälle auf Yachten
Segler haben sich Knochen gebrochen, Zähne ausgeschlagen, Gehirnerschütterungen geholt und was weiß ich noch alles. Rippenbrechen gehört auch dazu und davon kann ich ein Lied singen. Rissquetschwunden stehen ebenfalls hoch auf der Liste, man haut sich ja öfter an oder rennt wo dagegen.
Ich bin da offensichtlich besonders talentiert, denn jedes Mal wenn ich mit meiner Tochter Vaitea in Malaysien telefoniere, fragt sie mich routinemäßig zuerst einmal, was ich mir dieses Mal angetan habe. Kleine Verletzungen werden unter den Tisch gewischt, ich möchte ja nicht wegen jedem Schmarrn bemitleidet werden, aber einmal konnte ich doch mit mehr als nur einer Beule aufwarten.
Bei ruppiger See rutschte ich aus und holte mir eine Rissquetschwunde am Schienbein. Ich spürte zwar den Schmerz, aber erst eine generöse Blutspur auf dem nassen Deck ließ mich der Sache auf den Grund gehen. Der Knochen meines Beines war auf einige Zentimeter sichtbar.
War das ein Problem? Nicht wirklich, denn mein Gast an Bord war Urologe, für den chirurgische Eingriffe zum Spitalsalltag gehören. Dr. Georg Mertl sah die Wunde und meinte: „Das werden wir gleich haben.“ Er kam ja nicht unvorbereitet auf den Törn, eine medizinische Klammermaschine und chirurgisches Besteck gehörten zu seinem Reisegepäck. Mit dem Tacker fällt das aufwendige Nähen einer Wunde weg – neu für mich, aber anscheinend alltäglich in der Welt, in der ich nicht mehr zu Hause bin. Was waren das noch für Zeiten, als ich mich mit Hilfe einer rundgebogenen Nadel irgendwo an der Küste Brasiliens selbst vernäht hatte?
Zuerst wurde desinfiziert, Haare ausgezupft, rasiert und Wundränder beschnitten. Die gut sichtbare Vene neben dem Knochen war unverletzt und wurde nicht behelligt. Als dann dieser Tacker zum Einsatz kam, ging das so flott, dass eine Lokalanästhesie überflüssig war. Im Nu waren acht Niro-Klammern reingeschossen und das Bordleben konnte normal weitergehen.
Zehn Tage später, das Ehepaar war bereits abgeflogen, entfernte ich die Klammern. „Im Spital wird dafür ein eigenes Instrument verwendet“, hatte mich Georg vorher informiert und riet mir, von einer Nagelschere Gebrauch zu machen, um die Enden auseinanderzuspreizen. Das klappte – wenn auch nicht ganz so einfach, weil sich die kräftigen Klammern nicht so leicht verbiegen ließen und die spitzen Enden der Biester sich immer wieder im Fleisch verkrallten. Immerhin, zwei Wochen später war von der Narbe nicht mehr viel zu sehen.
Georg hatte mir freundlicherweise seinen Schussapparat an Bord gelassen, mit generösen 30 Klammern im Magazin. Alles, was ich jetzt brauche, sind ordentliche Verletzungen, Rissquetschwunden oder Schnitte. Egal was – ich möchte auch einmal die Dinger reinballern. Obwohl ich ab dann meine Gäste auf diese erweiterte medizinische Versorgung an Bord aufmerksam machte, gaben sie mir das Gefühl, sich extra vorsichtig zu bewegen.
Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, früher oder später kommt mir noch jemand unter den Tacker …
Wolfgang Hausner ist Weltumsegler, Schriftsteller und ocean7-Autor. Derzeit weilt er mit seiner Taboo III, einem 18-Meter-Katamaran, auf den Philippinen und bietet individuelle Mitsegelgelegenheiten an.
www.wolfgang-hausner.com
Fotos: Wolfgang Hausner, Shutterstock, privat