Die Crux an dem IC-Patent | ocean7

Die Crux an dem IC-Patent

von | Aug 24, 2017

Ein Weckruf von Harald Melwisch
Der nationale österreichische Befähigungsausweis für die Freizeitschifffahrt wurde im Jahre 2012 durch das Seeschifffahrtsgesetz abgeschafft. Trotzdem agieren Verkehrsministerium, Prüfungsorganisationen und Ausbildungsstätten so, als würden diese Befähigungsausweise noch bestehen. Warum können sie nicht umdenken?


Quelle: www.msvoe.at

Mit dem Seeschifffahrtsgesetz von 2012 wurde den Organisationen MSVÖ und ÖSV die Berechtigung entzogen, österreichische nationale Befähigungsausweise auszustellen.

Übrig geblieben ist dem österreichischen Freizeitskipper nur eine Bestätigung, der „International Certificate of Competence“. Dieser wurde bis 2012 zusätzlich ausgestellt aufgrund der Tatsache, dass der österreichische nationale Befähigungsausweis den Anforderungsumfang des ICC bei weitem erfüllt hat.

Der Grund für die Änderung des Seeschifffahrtsgesetzes in 2012 war die Klage gegen die Tatsache, dass nur MSVÖ und ÖSV nationale Befähigungsausweise ausstellen durften. Das Verkehrsministerium hat darauf mit dem Seeschifffahrtsgesetz 2012 geantwortet.

Die allgemeine Wahrnehmung war damals: Der Unterschied zu früher bestünde darin, dass jetzt auch andere Verbände Befähigungsausweise ausstellen dürfen. Doch diese Wahrnehmung war falsch.

Der Unterschied bestand darin, dass jetzt kein einziger österreichischer Verband mehr nationale Befähigungsausweise ausstellen darf. Die Prüfungsverbände dürfen nur Bestätigungen von bestandenen
Prüfungen ausstellen. Aufgrund dieser Bestätigungen stellt die ViaDonau einen ICC aus.

Diese Vorgangsweise macht aber einen großen Unterschied für die Anforderungen aus, welche an diese Prüfungen gestellt werden: Früher waren die Anforderungen durch den österreichischen Befähigungsausweis,
den Österreich selbst frei definiert hatte, festgelegt. Da es aber diesen Befähigungsausweis seit 2012 nicht mehr gibt, werden die Anforderungen durch die Resolution 40, die den ICC definiert, festgelegt. Dort heißt es nämlich in Annex I, Part I, (2) (frei übersetzt):

Ein ICC kann ausgegeben werden an Personen welche eine Prüfung positiv absolviert haben die in ihren Anforderungen übereinstimmen mit Part II von Annex I.

Nach dieser Klausel wird der österreichische ICC seit 2012 ausgestellt und damit bestimmt nicht mehr der frühere österreichische nationale Befähigungsausweis die Anforderungen, sondern Annex I, Part II der Resolution 40. Damit sind sämtliche Prüfungsordnungen, die durch die derzeitigen Prüfungsorganisationen eingereicht wurden, völlig überhöht in ihren Anforderungen. Sie enthalten nämlich Anforderungen die in Annex I Part II gar nicht vorkommen.

Beispiel: In Annex I Part II ist keinerlei Seefahrtserfahrung vor der Prüfung gefordert. Trotzdem wird in allen Prüfungsordnungen der Prüfungsverbände nach 2012 eine Seefahrtserfahrung von 500 Seemeilen für
FB2 und von 1000 Seemeilen für FB3 gefordert. Dies sind genau die Anforderungen der früheren österreichischen nationalen Befähigungsausweise, die sich in den Gehirnen festgekrallt haben und ohne Nachdenken übernommen wurden.

Nun sollte man glauben, dass das Verkehrsministerium, das in 2015 eine gemeinsame Prüfungsordnung herausgegeben hat, diese Fehlinterpretation richtig stellen würde. Doch weit gefehlt: Die Prüfungsordnung des
Ministeriums von 2015 geht genau in die verkehrte Richtung und erhöht die Anforderungen, beispielsweise die Seefahrtserfahrung für FB3 auf 1500 Seemeilen.

Dass das menschliche Gehirn eingefahrene Verhaltensweisen nur mit einer gewissen Zeitkonstante an andere Umstände anpassen kann ist aus anderen Bereichen bekannt. Dass es aber 3-5 Jahre dauert und dann noch in die
falsche Richtung geht, das ist doch etwas ungewöhnlich.

DI Harald Melwisch ist Präsident des „King Yachting Club“, Prüfungsreferent des MSVÖ – Motorbootsport und Seefahrts Verband Österreich und langjähriger Experte auf dem Gebiet der Berufs- und Freizeitschifffahrt.

Diesen Artikel teilen

Ausgabe 04/2024

Jetzt am Kiosk und online als E-Paper