Heisses Eisen | ocean7

Heisses Eisen

von | Dez 20, 2019

Alles was mehr oder weniger 30 Füsse hat, steht als Yacht seit wenigen Monaten im Blickpunkt. Grund sind wesentliche Änderungen im Olympischen Programm für 2024.

Lisa Berger und Christian Kargl sorgten Mitte Oktober im Golf von Triest für einen weiteren historischen Moment für den rot-weiß-roten Segelsport: Sie holten EM-Gold bei dem unter dem Dach der EUROSAF ausgetragenen Double Handed Mixed Offshore Bewerb. Was das ist? Die neue Olympische Segel-Disziplin, in der  ab 2024 um Medaillen gesegelt wird. Und dieser Event mit dem sperrigen, überaus in die länge gezogenen Namen sorgt auf sehr vielen Ebenen und Kommunikationskanälen im Segelsport für ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit. Da zählt das EM-Gold des Binnenteams aus einer nicht für seine Offshore-Meriten bekannten Nation nur für eines von vielen Ausrufezeichen. 

Der Weg nach Paris

Genauer gesagt: Der Weg nach Marseille. Denn die Segelbewerbe zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris finden vor der Mittelmeer-Hafenmetropole statt. Und der Weg ist so ein ganz und gar untypischer für den Olympischen Segelzirkus. Noch ganz viele Unbekannte stehen im Raum, fest steht eigentlich nur die maximale Anzahl an Nationen, die in der Disziplin bei ihrer olympischen Premiere an den Start gehen werden. Das werden nämlich zwanzig sein. Der Welt-Segelverband („World Sailing“) hat sich dazu eine ausgeklügelte Road Map mit zahlreichen Abzweigungsvarianten überlegt. Scheint damit für (fast) alle Eventualitäten – also zu viel Interesse, zu wenig Interesse und das ganze nach geografischen Gesichtspunkten sortiert – gerüstet zu sein. 

In bewegten Bildern sieht das für World Sailing dann so aus: 

https://www.youtube.com/watch?v=0QEEszdigik&feature=youtu.be 

Abgesehen davon steht natürlich die Bootsauswahl sehr im Fokus. Gesucht werden baugleiche, zur Verfügung gestellte Yachten so um die 30 Fuss. Der Weltverband hat Guidelines veröffentlicht, die tatsächliche Entscheidung über die olympischen Boote für 2024 soll allerdings erst spät im Jahr 2023 entschieden werden. Erste Frage: Kann das „geheim gehalten werden“ um damit auch Chancengleichheit für alle zu gewähren? Wer ist in der Lage, in dann sehr kurzer Zeit so eine – qualitätsvolle – Flotte zur Verfügung zu stellen? Wird sich wirklich keine französische Werft darum bemühen? Oder besser gesagt: bemühen können? Wenn die Olympischen Spiele in Frankreich statt finden. Und die „Grande Nation“ im Shorthanded bzw. Doublehanded Sailing sowohl in der Breite als auch in der Spitze führend sind?

Fragen, Fragen, Fragen

Fest steht, dass Offshore Segeln einen wesentlichen Teil des Segelsports an sich darstellt und bis dato im Olympischen Bereich nicht repräsentiert war. Klar ist aber auch, dass diese Art des Segelns mit den klassischen Regatten in unmittelbarster Hafennähe und einer Vielzahl an Rennen pro Wettkampf genau auch gar nichts zu tun hat. Dazu wird jedenfalls ein generelles Umdenken in der Vorbereitung nötig. Boote zu kaufen und das eigene Material durch die (Weltcup-)Geschichte zu schicken, wird es nicht spielen. Der Fokus wird darauf zu legen sein, sich „hochqualitative Segeltage“ auf entsprechendem Equipment zu kaufen. Ein System, dass aus rein österreichischer Sicht die Grenzen der bisherigen Förderpraxis im Spitzensport ausloten wird. Dabei ist das Prinzip zum Beispiel für die Match-Race Szene gang und gäbe. Wohl aber eine andere Geschichte, wenn es darum geht, zwei bis drei Nächte auf See zu verbringen. Bei Flaute wie bei Sturm. Und da spielt dann die Vertrauensfrage ins Material vielleicht doch wieder eine ganz andere Rolle. Die Antworten werden in den kommenden Jahren gefunden werden (müssen). Vom Weltverband, von den Teams und von der Bootsindustrie. Sicher ist einmal, dass nach der EM 2019 auch die erste Weltmeisterschaft in der Disziplin mit den „L30“ des ukrainischen Spitzensegler Rodion Luka gesegelt wird. Aber von der neuen Dehler 30 aus Deutschland, über eine Yacht aus dem Hause der amerikanischen J-Werft bis hin zu allen französischen Fabrikaten mit „Heimvorteil“ werden aktuell so gut wie alle Boote in der passenden Länge kolportiert. Fix ist auch, dass Ocean7 zu dem Thema dran bleiben wird. 

Fotocredit: YCV/EUROSAF/Matteo Bretonin, L30 Class Association

Die Flotte der L30 vor dem Markusplatz in Venedig und am Weg zum Start zur ersten EM in der neuen Olympischen Disziplin.  

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Ausgabe 04/2024

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