Charterausfall: Geld oder Gutschein? | ocean7

Charterausfall: Geld oder Gutschein?

von | Mai 28, 2020

Das Fluggastrechteportal Flightright hat gegen Lufthansa und Ryanair wegen nicht zurückerstatteter Flugtickets im Rahmen der Corona-Krise in 20.000 Fällen Klage eingereicht. Die Problematik zeigt eindrücklich, welche Probleme es analog auch in der Yachtcharter-Branche gerade jetzt und für die Zukunft zu lösen gilt. Ein Gastkommentar vom Versicherungsexperten und Yacht-Pool Chef Dr. Friedrich Schöchl:

Soll der Staat und somit auch der einfache Steuerzahler zahlen?

Wer übernimmt das Risiko, wer bezahlt?
Das ist hier die Frage. Nicht nur für die Charterbranche, sondern für den gesamten Bereich des Tourismus. Der Deutsche Bundestag hat dazu beschlossen, dass für Reiseveranstalter und die Lufthansa Rückzahlungen für einige Monate mit Gutschriften abgegolten werden können. Darüber entbrannte nun eine heftige Diskussion zwischen denen, die damit (zu Recht) einen unerlaubten Angriff auf das bestehende Rechtssystem sahen und denen, die darin eine unerlässliche volkswirtschaftliche Notwendigkeit sahen.
Welche Seite sich letztlich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Eines ist aber auf alle Fälle sicher, vieles wird sich in nächster Zeit ändern. Und sicher ist dabei, dass die Absicherung von Reisen teurer werden wird. Denn das tatsächliche Risiko der Touristen (zumindest für Pauschalreisen) war bisher in keinster Weise entsprechend abgesichert, wie dies bereits mit der Insolvenz von Thomas Cook (nur einem der großen Player) offensichtlich wurde. Und das hatte mit Corona noch überhaupt nichts zu tun.
Bereits bei dieser Pleite musste der deutsche Staat mit Steuergeldern von mehreren hundert Millionen Euro eingreifen, weil er sich in seiner Gesetzgebung und der damit verbundenen Versicherung von Pauschalreisen in grob fahrlässiger Weise, durch völlige Fehleinschätzung des tatsächlichen Risikos, enorm verrechnet hatte.
Yacht-Pool sah dieses System einer „blinden“ Versicherung, ohne Ahnung des tatsächlichen Risikos mit äußerster Skepsis und schuf deshalb mit einem eigenen System den Yacht-Pool Sicherungsschein, der sehr streng nur  für die Firmen ausgegeben werden durfte, die  jährlich ihre Bilanzzahlen vorlegten und bei positiver Prüfung dies auch mit dem Label  „checked & trusted“ zeigen durften.
Wir sehen uns nun allerdings mit dem Dilemma konfrontiert, dass ein Sieg der „Recht-Haber“, die eine Abfindung mit einem Gutschein ablehnen, eine Pleitewelle in der Touristik und Flugbranche zur Folge hätte, die volkswirtschaftlich nicht zu vertreten wäre. Aber andererseits eine Beugung des Rechts unser gesamtes Rechtssystem in Frage stellen würde. Und zwar zu Lasten genau derer, die in der aktuellen Situation darauf vertraut hatten.

Der Gesetzgeber hat nun zwischen Pest und Cholera zu entscheiden
In Frankreich, Belgien und Deutschland haben sich die Regierungen für die Gutschriftvariante entschieden. Die EU hat diesen nationalen (widerrechtlichen) Alleingängen jedoch nicht zugestimmt. Entgegen der bisherigen ablehnenden Stellungnahmen wird man aber wohl eine Einigung finden müssen. Denn alles andere würde zu einer sehr grundsätzlichen europäischen Frage führen. Kommt es zu einer Tolerierung der Gutschriftvariante, bleibt das Problem: Was ist, wenn die Gutschrift nicht eingelöst werden kann, weil die ausstellende Gesellschaft inzwischen Pleite ist? Ganz problematisch wird die Sache, wenn der Gutschein noch an Bedingungen gebunden ist, wie dies manche Airlines versuchen.
Insider haben jetzt erkannt, dass das bisherige System der gesetzlichen Absicherung von Reiseveranstaltungen nicht mehr zukunftstauglich ist und neu geregelt werden muss. Denn man hat nun auch erkannt, wie groß das tatsächliche Risiko des Verlustes der Vorauszahlungen für den Tourismus in Summe ist. Und sollte dieses Risiko abgedeckt und dem Einzelnen abgenommen werden, so muss es irgendjemand übernehmen. Ein Konsortium der größten Rück-Versicherer wäre eine Denkmöglichkeit und ist z.Z. in der Überlegung und Prüfphase. Ob dies für die Versicherungen aber überhaupt möglich ist, ist nicht gesagt und bleibt abzuwarten. (Stand 1.5.2020). Sicher ist aber, dass dies einer Prämie bedarf, die um ein Vielfaches höher sein müsste als das, was bisher für die (absolut unzureichende) Absicherung, für die nun der  Staat einspringen musste, berechnet wurde.

Absicherung Yachtcharter: Wer zahlt die Risikoprämie?

Wer blecht die Risikoprämie?
Entweder die Reisenden, für die diese Versicherung geschaffen wäre, oder der Staat garantiert dafür, also jeder von uns. Sonst gibt es niemand. Wenn die Kosten dieser Risikoübernahme nur die tragen, die sie verursachen, wird für die, die eine Reise tun, eben Reisen entsprechend teurer werden (müssen). Sollten dagegen dafür wir alle über eine Staatsgarantie haften müssen, wird das wohl die gesellschaftliche Frage aufwerfen, warum die, die mit ihrem Nettogehalt gerade so über die Runden kommen, mit ihren Steuern für jene bezahlen sollen, die nur per Fernflug und Charteryacht in die Karibik Erholung finden können?
Der oberflächlichen Betrachtung, dass „natürlich“ diejenigen die Kosten tragen sollen, die sie auch verursachen, und es damit jedem frei gestellt sein sollte, seine Reise gegen Insolvenz zu versichern oder nicht, steht wiederum die Philosophie des Sozialstaates entgegen, dass der Staat eben seine Bürger in der Not keines Falls „hängen lassen“ darf. Ein schwieriger Weg eines Konsenses, der hier aus dem Dilemma widersprüchlicher (für sich isoliert betrachtet) berechtigter Standpunkte gefunden werden muss.

To be right or to be happy
Innerhalb der Charterbranche, die im Grunde mit der gleichen Problematik konfrontiert ist, wurde dieser Weg in den weitaus überwiegenden Fällen gefunden. Hier hat wohl auch der „Bacillus Nauticus“ stark mitgewirkt. Denn der Chartertörn ist für die Skipper und deren Crews das Highlight des Jahres und dazu braucht man eben auch in Zukunft arbeitsfähige Charterfirmen. In Anbetracht der Macht des Faktischen haben offensichtlich die meisten die generelle Lebensfrage „to be right or to be happy“ für sich in einem Konsens mit dem Vercharterer beantwortet.
Yacht-Pool hat diese (illegale) Lösung, nämlich die Charterkunden, denen weder das versprochene Schiff zur Verfügung gestellt, noch das anbezahlte Geld zurückbezahlt werden konnte, mit Gutscheinen abzufinden, massiv unterstützt. Ein Gutscheinangebot, das de facto nicht mehr darstellte, als ein gut gemeintes Versprechen aus gegebener Notsituation. Diese Unterstützung durch Yacht-Pool erfolgte durch die Insolvenzabsicherung dieser Versprechen für Tausende von deutschen und österreichischen Charter-Buchungen, die bei ihrer Buchung für 2020 einen Yacht-Pool Sicherungsschein erhielten. Eine Garantie, die kostenlos und freiwillig, ohne rechtliche Verpflichtung sogar noch auf die versprochenen und erhofften Chartertörns im Jahre 2021 erweitert wurde.
Ein stiller und massiver Beitrag zur Stabilisierung der Charterbranche. Still, denn die Garantien erfolgten auf direktem Weg zwischen Charterkunden und Yacht-Pool und ermöglichte so für die abgesicherten Kunden die risikofreie Akzeptanz der Gutscheinregelung. Warum die meisten Charterer dieses „Risiko“ so problemlos annahmen, wissen deshalb der Großteil der Vercharterer nicht.

Yacht-Pool
Yacht-Pool Flight-Service

Yacht-Pool informiert:
Da aufgrund der gegenwärtigen Situation die Neuausgabe von Sicherungsscheinen für neue Buchungen vorübergehend b.a.w. von Versicherungen ausgesetzt wurde, wurde die Absicherung von Charterzahlungen durch das neue Yacht-Pool Trust Security System ersetzt. Dabei besteht für den Charterer die Möglichkeit, seine Zahlungen  mittels Treuhandkonto abzusichern und für den Vercharter, seine Buchung zu fixieren und die treuhänderisch fixierte Buchung von seiner Hausbank zwischenfinanzieren zu lassen.

Yacht-Pool International

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Ausgabe 04/2024

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