Bis vor kurzem befand sich die Welt noch im Ausnahmezustand, alles stand still. Fast alles. Die Natur nutzte die Zwangspause des Menschen, um sich zu regenerieren. Der Erholungseffekt, der speziell bei den Meeressäugern im Mittelmeer schon im Vorjahr erstaunliche Früchte trug, dürfte heuer verstärkt auftreten. Zum wissenschaftlichen Nachweis können auch wir Skipper einen wesentlichen Beitrag leisten.

Auf sozialen Medien plötzlich Bilder von glasklaren Kanälen in Venedig, einsamen Stränden direkt vor Großstädten, aber auch Videos von Delfinen, die sich bis in die großen Fährhäfen Italiens vorgewagt haben. Selbst wenn nicht jedes einzelne dieser Videos ganz der Wirklichkeit entsprungen ist, konnte man doch ­zumindest einen Atemzug lang glauben, die ganze Sache hat auch etwas Gutes: Das Meer kann sich wieder erholen!

Wir vom Project Manaia hatten uns schon im Vorjahr die Situation der Delfine im Mittelmeer genauer angesehen. Ein Gemeinschafts­projekt mit der Marine Mammals Research Association ­(DMAD) – einer Delfin-Forschungsorganisa­­tion mit Sitz in der Türkei und Feldstation in Montenegro – führte uns von Italien über Slowenien, Kroatien, Montenegro und Albanien bis nach Griechenland. Die wissenschaftliche Expedition verlief nicht immer ohne Probleme, war aber ein voller Erfolg mit vielen neuen Ergebnissen, Sichtungen und nicht zuletzt Hoffnungen für die Säuger des Mittelmeeres.

Sturm und Forschungsdrang
Bei höchstem Hochwasser im April brachen wir von Italien aus auf – genauer gesagt von der Marina ­Aprilia Marittima bei Lignano in der Lagune vom Marano. Mit vollbesetztem Boot (sechs Meeresbiologen aus fünf Staaten) galt es zunächst nach Kroatien überzusetzen. Und siehe da, gleich am ersten Tag konnten wir Große Tümmler vor dem Hafen von Umag sichten.

Dieser Trend setzte sich über­raschend positiv fort, obwohl das Wetter nicht immer mitspielte: Von den fünf Wochen an Bord konnten wir nur 22 Tage auf See verbringen, die restliche Zeit mussten wir vier Stürme vor Anker oder im Schutz der Marinas abwettern. In diesen 22 Tagen unter Segeln konnten wir aber gleich ein Dutzend Delfin­sichtungen aus insgesamt 27 Populationen dokumentieren (Delfine sind, wie die meisten Segler wohl schon selbst beobachtet haben, fast immer in Familienverbänden unterwegs, deren Größe ziemlich stark schwanken kann). Gemessen an der versegelten Strecke sind wir durchschnittlich alle 92 Kilometer Delfinen begegnet – ein durchaus bemerkenswertes Ergebnis! 

Skipper, bitte melden!
Im Sinne der Wissenschaft und zum Schutz der Meeressäuger ­teilten wir natürlich alle unsere ­Erkenntnisse mit lokalen Orga­n­isationen und legten bei dieser ­Gelegenheit auch gleich den Grundstein für eine überregionale Zusammenarbeit, um nicht zuletzt durch konsequenten Austausch von Daten und Berichten ein größeres Abbild der Bestände und Wanderungen zu bekommen.

Tierbegeisterte Yachties haben übrigens auch die Möglichkeit, den Forschern aktiv zu helfen: Wer bei einem Törn einer Gruppe von Delfinen begegnet und eine halbwegs gute (Handy-)Kamera zur Hand hat, mache ein Foto und schicke es im Dienste der Wissenschaft ein (detaillierte Infos entnehmen Sie bitte dem Kasten auf der rechten Seite). 

Glück in Albanien
Eine Sichtung der ganz besonderen Art konnten wir im Rahmen unsere Expedition ebenfalls verzeichnen: Die Großen Tümmler sind zwar nichts Ungewöhnliches – in Kroatien sind sie beinahe täglich zu beobachten –, gestreifte Delfine aber sind eine Rarität im Mittelmeer, in der Adria wurden sie schon seit fast 20 Jahren nicht mehr gesichtet. 

Wir hatten das überwältigende Forscherglück, eine Gruppe von mehr als 20 Tieren in albanischen Gewässern anzutreffen. Sie sind ein gutes Stück kleiner als die Tümmler und aufgrund ihrer zweifarbigen Zeichnung sehr gut zu erkennen. Unsere Stargäste gaben uns über eine halbe Stunde das Geleit bis an die griechische Grenze.

Links der Gestreifte Delfin, rechts der Große Tümmler – alle Delfinarten leben in Familienverbänden.

50 Meter Abstand
Wie nah darf man eigentlich den Tieren kommen? Rein rechtlich dürfen Skipper zunächst einmal ihr Boot nicht direkt auf Delfine zusteuern. Darüber hinaus hat jedes Land im Detail gesonderte Regelungen, die besagen, wie lange man wie nahe einer Gruppe sein darf. Grundsätzlich aber gilt, dass man mindestens 50 Meter Abstand zu den Meeressäugern zu halten hat. Keine Schuld hat man natürlich, wenn die Tiere von sich aus auf ­einen Sprung vorbeischauen.

Was sich allerdings auch in unserer Erfahrungen gezeigt hat: Motor abstellen hilft kaum, um die Tiere zum Verbleiben zu bewegen. Im Idealfall (unter Segeln) „reiten“ sie oft und gerne auf der Bugwelle. Wenn man unter Maschine unterwegs ist, sollte man die Drehzahl nicht ändern. Die Tiere haben sich genähert, obwohl die Geräusche unter Wasser laut sind. Wird jetzt die Frequenz geändert, ist auch damit zu rechnen, dass die Gruppe wieder das Weite sucht.

Hoffnung auf mehr
Conclusio: Auch wenn es oft so wirkt, als ob das Meer unterhalb des Wasserspiegels schon tot und leer wäre – es gibt viele neue Licht­blicke! Nicht nur in Form von Delfinen, sondern auch dank vieler anderer Meerestiere, Seegräser und Wasservögel. Es liegt aber letztlich an uns, ob sich diese positiven Trends auch entwickeln können! Mit den 27 von uns dokumentierten Meeressäuger-Populationen in der Adria, im Ionischem Meer und in einem Teil der Ägäis sind die Bestände jedenfalls vielversprechend. Und die Chancen stehen gut, dass wir (trotz vier Beobachtern zu jeder Zeit an Deck der Independence) nicht alle Tiere sichten konnten. 
Aufgrund der epidemiebedingt verlängerten Winterruhe 2020 ­dürfen wir uns hoffentlich in dieser Saison wieder zahlreicher Neusichtungen erfreuen. Sollte auch Ihnen dieses Glück beschieden sein – bitte melden!

Fünf Wochen waren Manuel und Pinar Marinelli mit vier weiteren Meeresbiologen auf See, um die Populationen der Meeressäuger im Mittelmeer zu erforschen und die Ergebnisse mit lokalen NGOs auszutauschen.

Project Manaia – zum Schutz der Meere
Project Manaia ist eine österreichische Non Profit-Organisation, die sich aktiv um den Schutz der Meere kümmert. An Bord ihres Forschungsschiffes Independence segeln die Meeresbiologen Michael und Pinar Marinelli seit mehr als zwei Jahren durch das Mittelmeer und konnten in Zusammenarbeit mit verschiedenen NGOs, aber auch Feldstationen und Tauchzentren, international richtungsweisende Forschungserfolge verzeichnen. Nähere Infos und die Möglichkeit, die Arbeit zum Schutz der Meere auch finanziell zu unterstützen:
www.projectmanaia.at

Delfin-Sichtungen sind ebenfalls willkommen! Benötigt werden ein Foto mit gut sichtbarer Rückenflosse, Datum, Uhrzeit und die Koordinaten für den Ort der Sichtung (was auf Booten mit GPS in der Regel kein Problem sein sollte), per E-Mail: info@projectmanaia.at

Die Independence ist eine Bruce Roberts Mauritius 43. Gebaut in einer britischen Werft, ist sie mit mehr als 30 Jahren immer noch gut in Schuss. Eine der wenigen Stahlsegelyachten, die noch das Mittelmeer durchkreuzen. Zwar langsamer, aber sehr komfortabel, sodass man auch bei Starkwind und Seegang an Bord arbeiten kann.

Forschungsroute 2019. Aprilia Marittima – Umag – Pula – Mali Loinj – Zadar – Split – Cavtat – Herceg Novi – Bar – Korfu – Preveza – Lefkas – Pyrgos – Pylos – Porto Kagio – Kythera – Antikythera – Gramvousa (Kreta) – Plakias (Kreta)

Fotos: Manuel Marinelli, Shutterstock

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