Die Muschelkulturen, die berühmte Steinmauer und eine große Meerwassersaline sind die Wahrzeichen der schönen Ortschaft Ston an Kroatiens Adria-Küste.

Muscheln zählen zu den beliebtesten Meeresfrüchten. In mediterraner Atmosphäre konsumiert, kann ein solches Mahl zu den Höhepunkten jedes Mittelmeer-Urlaubes zählen. Die schwarzen Schalen der Miesmuscheln türmen sich à la Buzara in köstlicher Sauce auf dem Tablett, die flachen Schalen der Austern kontrastieren dazu in hellen Farben.
Die Frage nach der Herkunft der Muscheln wird häufig gestellt, um sicher zu sein, nicht im Nachhinein für den Genuss büßen zu müssen. Es stellen sich aber noch viele weitere Fragen. Wie alt sind die Muscheln, wenn sie auf dem Teller landen? Wie schafft man es, sie in diesen Mengen zu züchten? Welche Arbeitsschritte sind dafür erforderlich?
Mit etwas Glück ist der Wirt dazu in der Lage und auch bereit, solche Fragen zu beantworten. Ich war besonders glücklich, weil mir auf meine Fragen nicht nur geantwortet wurde, sondern gleich ein Termin für eine gemeinsame Ausfahrt in die Muschelkulturen von Ston vereinbart wurde. Diese malerische Ortschaft ist wegen ihrer alten Meerwassersaline und einer gewaltigen Steinmauer bekannt. Die Hauptdarsteller dieses Berichts sind jedoch die Muscheln. Saline und Steinmauer dienen als Kulisse.

Muscheln: der lange Weg vom Winzling zur Delikatesse.
Muscheln sind getrennt-geschlechtlich, es gibt also männliche und weibliche Individuen. Die Gameten (Samen und Eier) werden in riesigen Mengen frei ins Wasser abgegeben. Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich mikroskopisch kleine Larven, die Teil des Planktons sind. Ein Großteil von ihnen geht schon während des pelagischen Larvenlebens zugrunde, indem sie gefressen werden oder keine geeigneten Aufwuchsflächen finden.
Muschelzüchter bieten den Larven genau das, was sie suchen: geeignetes Substrat, um sich darauf festzusetzen und aufzuwachsen. Das können feinmaschige Netze sein, die im Wasser hängen und von Zeit zu Zeit herausgezogen und kontrolliert werden. Sind die festgewachsenen Muscheln groß genug, werden sie abgenommen und je nach Art mit unterschiedlichen Methoden weiterkultiviert.

Die Muscheln sind nun groß genug, um sortiert und weiterkultiviert zu werden. Die Miesmuscheln (Mytilus sp., „Dagnja“) werden von ihrer ursprünglichen Unterlage abgelöst und in ein schlauchförmiges Netz eingefüllt. Zu diesem Zweck wird das Netz über ein PVC-Rohr gestülpt, das den Füllvorgang erleichtert. Sobald das Rohr mit den Muscheln gefüllt ist, hat es seine Schuldigkeit getan und wird aus dem Netz herausgezogen, das offene Ende wird zugebunden. Die Miesmuscheln sind nun in ihrem Netz bereit, um an der Leine, die schon an der Bootswand hochgezogen wurde, befestigt zu werden. Der deutsche Name Miesmuschel leitet sich angeblich vom mittelhochdeutschen „mies“ für Moos her. Ganz rechts befestigt der Muschelzüchter das Muschelnetz an der Leine. Sobald er die Leine vom Bordhaken nimmt, sinkt sie unter die Wasseroberfläche.
Die Miesmuscheln (Mytilus sp.) werden in schlauchförmige Netze gefüllt. Diese werden an Leinen geknüpft, die zwischen den Bojen der Muschelkultur gespannt sind. Im nährstoff- und planktonreichen Wasser baumelnd können die Miesmuscheln nun bis zu ihrer Endgröße heranwachsen.

Die Speiseauster (Ostrea edulis) wird nicht wie die Miesmuscheln massenhaft in Netzschläuchen kultiviert, sondern es werden die Austern paarweise in Serie an Schnüre geklebt. Diese werden ebenfalls an den Leinen befestigt, die zwischen den Bojen gespannt sind. Miesmuscheln und Austern baumeln nun im Muschelgarten von knapp unter der Wasseroberfläche bis in einige Meter Tiefe an den Leinen.

Die Miesmuscheln baumeln in ihren Netzen, die Austern hängen an ihren Schnüren in die Tiefe. Das plankton- und nährstoffreiche Wasser versorgt sie mit Nahrung. Die Austern sind ihrerseits ein willkommenes Substrat für andere Organismen. Je länger die Muscheln im Wasser hängen, umso dichter wird ihr Aufwuchs. Foto rechts: Prächtige Kolonien von Moostierchen und dichte Algenbüschel mit ihrer reichhaltigen Mikrofauna erfreuen zwar den Meeresbiologen, sind aber jedem Muschelzüchter ein Gräuel, da sie das Wachstum der Muscheln behindern.
Wie in jedem Garten an Land ist auch hier ständige Pflege erforderlich. Die Muscheln und die Schnüre werden nämlich von vielen marinen Organismen als willkommenes Substrat verwendet, um sich darauf festzusetzen. Algen, Röhrenwürmer, Moostierchen und vieles mehr können die Kulturen durch starken Aufwuchs im Wachstum empfindlich stören.

Wiederholtes Hochbringen der Muscheln an Bord, stete Kontrolle und Reinigung sind daher nötig. Zusätzlich gibt es Fressfeinde, die es auf die Muscheln abgesehen haben. In Ston sind es vor allem Goldbrassen (Sparus aurata, „Dorada“), die sich an den Miesmuscheln delektieren. Muschelzüchter behelfen sich, indem sie die Netzschläuche mit den kleineren, noch dünnschaligen Miesmuscheln kranzförmig binden. Damit sind sie näher an der Wasseroberfläche, die von den Doraden eher gemieden wird.

Schließlich, nach zwei bis drei Jahren, sind die Muscheln erntereif. Allerdings müssen ihre Schalen nun noch gründlich gesäubert und vom anhaftenden Aufwuchs befreit werden. Das kann in waschtrommelartigen Maschinen geschehen oder in mühsamer Handarbeit erfolgen. Ihr letzter Weg führt die Muscheln in die Küche der Restaurants, die ihren Gästen diese köstlichen Meeresfrüchte anbieten.

Steinmauer und Meerwassersaline.
Nähert man sich Ston von der Seeseite, so fällt vor allem eine lange Wehrmauer auf, die einen Hügel hinaufzieht. Sie wurde im 14. Jh. errichtet und verband auf einer Länge von etwa fünf Kilometern mehrere Kastelle und Wehrtürme. Durch die mächtige Mauer war der Zugang zur Halbinsel Pelješac kontrollierbar und zusätzlich war die wertvolle Meerwassersaline vor Eindringlingen geschützt. Diese Saline geht auf die Römerzeit zurück. Im Mittelalter zählte ihre Salzproduktion zu den wichtigsten Einnahmequellen der Republik Dubrovnik. Die Saline ist auch heute noch in Betrieb.

Da die Salzgewinnung durch Verdunstung des Meerwassers erfolgt, ist die Menge des gewonnen Salzes witterungsabhängig. Heiße und trockene Monate sind dafür ideal.



Text und Fotos: Dr. Reinhard und Lilly Kikinger, Google Earth