
Da steht doch akkurat hinten an der Mole eine panisch dreinblickende Frau, die mir hektisch die Muring entgegenstreckt – genau in der Mitte der Lücke, achteraus, wo in zehn Sekunden meine Schraube sein wird. Ich gebe ihr Handzeichen, die Muring abzusenken, sie schreit mir zu: „Die Muring, nimmdademuring!“ Ich drauf: „Wart noch bitte, die Muring kommt ganz zum Schluss!“ Sie schaut völlig entgeistert und plärrt mir entgegen: „Nimmdademuring!“ Ich nehme sie nicht, bleibe ca. 1,5 Meter vor der Mole stehen, der Marinero nimmt meine Luv-Achterleine und belegt sie am Poller.
Der Herr vom Nachbarboot nimmt meine Lee-Leine entgegen. Ich: „Bitte um den Poller, mach’ einfach fest.“ Er schaut mich mitleidig an: „Nimm da erscht amoi de Muring“, tut nix und legt nach der dritten Aufforderung meine Leine um den Poller, um sie mir, anstatt festzumachen, mit einem belehrenden „Då håst, måch das glei auf slip“ zurückzugeben. Und weiter: „Und jetzt nimmdademuring!“ Darauf sie zu ihm: „Der sågt, Muring am Schluss, konsta des vurstöhn? Wo håt‘n dea gleant, der kau jo goanix!“
So eine Muringleine ist eine tolle Erfindung. Wer den Ankersalat in den Häfen Griechenlands und in der Türkei erlebt hat, kann dieses System nicht hoch genug schätzen. Eine Muringleine kann aber auch schneller in der Schiffsschraube sein, als man denkt.
Die Muringleine ist in der Regel mit ihrem Ende an einem Betonklotz oder an einer stärkeren, quer im Hafenbecken verlaufenden Kette (Mooringkette) befestigt, die auf dem Grund des Hafenbeckens aufgespannt ist. Sie besteht aus der Belegleine, diese ist massiv ausgeführt und wird an der Bugklampe der Yacht belegt. An der Belegleine ist die sogenannte Pilotleine eingeschoren oder verknotet, die wiederum an Land angeschlagen ist. Mit der Pilotleine wird die Muringleine angehoben, damit sie die Crew am Schiff aufnehmen kann. Durch das Anheben kann es nun passieren, dass die Leine unter den Rumpf kommt und damit in gefährlicher Nähe zur Schiffsschraube und zum Kiel läuft. Gründe dafür gibt es genug, sei es, dass die falsche Leine angehoben wird, dass der Wind die Yacht vertreibt, dass schlampig angehoben wird – und noch vieles mehr.
Kommt die Muringleine tatsächlich in die Schiffsschraube, dann sind grobe Schäden vorprogrammiert: Die Welle kann aus der Verankerung gerissen werden, sie kann einen Schlag bekommen, das Schiff ist manövrierunfähig und kann dadurch noch größere Kalamitäten auslösen. Am liebsten sind mir Häfen und Marinas, wo niemand die Muringleine hochhält und ich sie selbst aufnehmen kann …
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Gottfried Titzl Rieser ist Ausbildungsreferent des Yacht Club Austria, passionierter Fahrtensegler und hat insgesamt so um die 20.000 Seemeilen in seinen Logbüchern dokumentiert.
Seine Kolumne “Wissen und Meer” in ocean7 steht unter dem Motto: „Die See ist der beste Lehrmeister!“
Hallo Titzl
Dein Bericht in der Ocean7 ist super. 100ert fach so erlebt und oft staunende Blicke wenn die Mining zum Schluss dran ist. Auch die guten Tips von Nachbarbooten! Aber auch beim Ablegen wenn die Muring lange schon los ist und wir noch auf den Richtigen Augenblick warten, eine Böe noch abwarten oder so. Ich hab beim Lesen schmunzeln müssen BRAVO ????
Gottfried Grabner
Lieber gottfried,
Du sprichst mir aus der seele,ich mache es gleich wie du,aber offenkundig sind wir noch in der minderheit .
Vielleicht könnte ocean 7 alle aci marinas mal anschreiben damit die marinäros aufgeklärt werden.
Bei unserer minderheit wird das noch lange dauern.
…und logisches denken wurde seit den 70er jahren abgeschafft.
Liebe seglerische grüsse!
Bodo Grebner
Vrsar
Werter Segelkollege Gottfried !
Ich habe Deinen Artikel in Ocean 7,
Seite 34 gelesen.
Gratuliere zur Veröffentlichung.
Deinen Ablauf habe ich noch in keinen Fachbuch gelesen, auch meine Ausbildner hatten mit den Eindampfen in die Achterleine nicht viel am Hut. Bei meinen Skipperkollegen hab ich das auch nie gesehen, beim Regattasegeln sehr wohl.
Ich mache das gleich wie Du, nehme jedoch die Pilotleine nach der Übernahme sofort an Bord, ich hänge sie über die Reling bis auf Wantenhöhe, damit nichts in die Schraube kommt.
Einmal hat mir ein Marinero, nachdem ich zur Spannung der Muring den Retourgang eingelegt hatte, die Pilotleine ins Wasser geworfen, sie wurde sofort angesaugt, hatte Glück, keine Schäden.
Wenn ich nach der Übernahme die Pilotleine auf die Reling hänge, verhindere ich dies damit.
Oft ist es mir passiert, das schlecht ausgebildete Marineros ,
oft Praktikanten keine Ahnung haben, und sich weigerten die Luv Heckleine zuerst zu nehmen.
Ist mir auch einmal bei einen Wirt passiert, habe aber von diesen Trottel gleich wieder abgelegt.
Eine Frage: Du beschreibst, Du belegts die Heckleine am Poller und nicht auf Slip.
Warum ???
Überwiegend und in erster Linie belege ich die Heckleine auf Slip, damit kann ich jederzeit die Spannung im Schiff regulieren, sei es um den Schwell auszugleichen oder um jederzeit ablegen zu können, wenn es schnell gehen muss, und ich habe das Ende an Bord.
Allerdings gibt es auch Situationen, wo ich am Poller ohne Slip festmache – vielleicht komme ich nicht sofort zum Poller, weil die Kaimauer zu hoch, das Übersteigen zu unkomfortabel oder zu gefährlich ist, vielleicht auch weil ich alleine anlegen muss.
Im konkreten Fall geht es darum, dem Besucher am Steg keine seemännisch korrekte Arbeit machen zu lassen, sondern als Erstes einmal nur festmachen – nicht mehr. Alles andere mache wir uns selber. Denn was passiert, wenn er die Leine um den Poller legt und mir wieder zuwirft, und meine Crew kann den Knäuel nicht fangen, die Leine fällt ins Wasser, die Schraube dreht und saugt und dreht … Da ist es mir lieber, er macht die Leine irgendwie fest, den Rest schaffen wir dann schon.