Ein Chartertörn ohne Badestopps, ohne Shopping-Landgänge und ohne dieselbe Strecke noch einmal zurücklegen zu müssen – gibt’s das? In der Nebensaison ja, aber diese Form des Puristensegelns eignet sich nur für erfahrene Crews.Wir sind vom östlichen Kos aufgebrochen und bei forderndem Meltemi bis ins westliche Athen einbahngesegelt.
Da staunen die Nachbarlieger nicht schlecht, als sie mich und meinen Co- Skipper allein auf unserem riesigen Katamaran aus der Marina in Kos auslaufen sehen. Dann geht’s schnell um die Kurve, um nicht über die türkische Seegrenze zu stolpern, und kurze Zeit später passieren wir zur Rechten auch schon die Insel Pserimos.
Das erste Etappenziel ist zwar mit dem nur vier Meilen entfernten Kalymnos kurz gesteckt, wir wollen aber die Zeit nutzen, um uns mit unserer Nemesis, einem Lagoon 450 Katamaran mit Flybridge, in jeder Hinsicht vertraut zu machen. Schließlich sind wir nur zu zweit, da muss jeder Handgriff sitzen. Zum Beispiel beim Bojenmanöver, das uns in der Bucht vor Emborios aufgrund des hohen Freibords und des Schwells erst beim zweiten Anlauf gelingt. Danach sind wir schlauer.
„Guter Schutz vor dem Meltemi“ – von wegen, wäre der Verfasser dieser Revierführerzeilen jetzt hier an Bord, würde er zur Nachtwache verdonnert! Ohne Unterlass zerrt der Wind mit fünf Beaufort am Festmacher, der unsere 17 Tonnen-Yacht an der Boje hält. Nächste Übung daher: Wache im Zweistundentakt bis zum Morgengrauen.
Auf zum Bauernhof
Windstärke 6–7 und bis zu drei Meter hohe Wellen, so die Vorhersage für den bevorstehenden Tag Ende Oktober. Wir verlassen die Bucht im ersten Reff und mit halber Genua. Kaum auf offener See, grüßt auch schon der Meltemi. Wir grüßen aus dem Ölzeug lachend zurück und genießen den Schlag auf Am-Wind-Kurs bis zur Insel Levitha.
Ohne besondere Vorkommnisse, aber immer mit über zehn Knoten Fahrt, ehe wir im Windschatten der Insel die Segel bergen und in die Südbucht einlaufen. Nur eine Familie lebt hier auf der Insel von Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und den Yachties im Sommer.
Die Freude des Hausherrn über die so spät in der Nachsaison eintrudelnde Yacht ist ihm anzusehen, als er uns mit seinem Holzboot beim Festmachen an der Boje zur Hand geht. Es ist kurz vor Sonnenuntergang und wir sind die einzigen hier – in der Hauptsaison undenkbar. Tischreservierung? „Nicht nötig“, so der Gastgeber. Sind wir hier im Paradies gelandet?
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Fotos: Tahsin Özen, Harri Skrach