Der Badeschwamm ist uns ein Begriff. Wenn man aber nicht gerade Biologe, Taucher oder speziell naturinteressiert ist, dann stellen sich viele Fragen. Ist ein Schwamm ein Tier oder eine Pflanze? Sind Schwämme und Pilze dasselbe? Das umgangssprachliche „Schwammerl“ verleitet zu dieser Vermutung. Leben Schwämme nur im Meer oder auch im Süßwasser und an Land?
Von Dr. Reinhard Kikinger

Der Tierstamm Porifera. Schwämme sind Tiere und werden im Stamm Porifera zusammengefasst. Heute sind über 8.000 Schwammarten wissenschaftlich beschrieben. Pilze sind ein eigenes Reich (Fungi), das Tieren (Animalia) und Pflanzen (Plantae) gegenübergestellt wird.
Die überwiegende Zahl an Schwammarten lebt im Meer, nur einige wenige besiedeln auch das Süßwasser, landbewohnende Schwämme sind nicht bekannt. Der Name Porifera (lateinisch porus ‚Pore‘ und ferre ‚tragen‘) weist schon auf ein charakteristisches Merkmal der Schwämme hin: Sie besitzen viele Poren.
Kurzer Schwamm-Steckbrief
Der Körperbau der Schwämme ist einfach, ihre Gestalt ist aber vielfältig. Sie können krusten- und polsterförmig sein, aber auch massige kugel-, baum- und becherförmige Gestalt annehmen. Sie besitzen zahlreiche kleine Einfuhröffnungen, wenige große Ausfuhröffnungen und einen zentralen Hohlraum. Die verschiedenen Arten erreichen Körpergrößen von einigen Millimetern bis über ein Meter.
Die Konsistenz ihrer Körper ist je nach Art weich, brüchig, elastisch oder hart. Ihr Skelett besteht aus Nadeln, den sogenannten Skleriten, und aus Fasern. Einige Schwämme sind unauffällig grau bis braun gefärbt, es finden sich aber auch lebhafte Farben wie Gelb, Rot, Violett und Blau.

Abb. Mitte: Der Schwamm überzieht einen toten Korallenstock, in dem bohrende Riffseeigel sitzen. Die runden Oscula und die darauf zulaufenden Kanäle des Schwammes sind gut zu sehen. Das Geflecht im Vordergrund der rechten Abbildung sind Hornkorallen, alles andere sind Schwämme. Sie zählen zu den buntesten Organismen in tropischen Korallenriffen.
Lebensweise und Vorkommen
Schwämme sind sessile Tiere, die in allen Meeren von den Küsten bis in die Tiefsee vorkommen. Sie bevorzugen Hartsubstrat wie Felsen, Muschel- und Schneckenschalen oder Korallenkalk, um sich darauf festzusetzen. Ihre Nahrung besteht überwiegend aus kleinstem Plankton, aus Bakterien und winzigen organischen Partikeln.
Durch spezielle Geißelzellen, die Choanozyten, wird Meerwasser durch die kleinen Einfuhröffnungen eingestrudelt und filtriert. Die im Wasser enthaltenen Mikroorganismen werden als Nahrung verwertet. Das Wasser wird durch die großen Ausströmöffnungen, die Oscula, wieder ausgestoßen. Auf diese Weise sind Schwämme extrem effektive Filtrierer, große Exemplare können bis zu 2.000 Liter Wasser pro Tag filtrieren.

Reproduktion und Verbreitung
Wie sorgt man als festsitzendes Meerestier für die räumliche Verbreitung seiner Nachkommen? Dafür gibt es eine sehr erfolgreiche Methode: Man übergibt seine Gameten, oder bereits entwickelte Larven, den Meeresströmungen. Auch Schwämme bedienen sich dieser Strategie.
Spermien werden in das freie Wasser abgegeben und befruchten die Eier eines reifen weiblichen Tieres. Die befruchteten Eier werden als Larven ins Freie entlassen und beginnen ihre Reise als Planktonorganismen. Nach Stunden bis Tagen heften sie sich fest und beginnen mit der Verwandlung in einen Jungschwamm.
Neben dieser „Standardmethode“ zeigen Schwämme eine Vielfalt an weiteren Vermehrungsmöglichkeiten: viele sind Hermaphroditen, andere getrennt geschlechtlich, sie vermehren sich auch ungeschlechtlich durch Knospung, und sie können Kolonien durch Verschmelzung bilden.
Ihre Lebensdauer beträgt Monate bis Jahre, wobei große Exemplare vielleicht auch Jahrhunderte, in der Tiefsee möglicherweise Jahrtausende alt sein können.

Unerkannt und verwechselt
Wenn wir in die Unterwasserwelt eintauchen, dann fällt uns zuerst das Große und Spektakuläre auf. Bunte Fische, schöne Muscheln und Schnecken, große Korallenstöcke, mit Glück vielleicht eine Meeresschildkröte. Fast immer sind auch Schwämme in unserem Gesichtsfeld, aber wir nehmen sie nicht bewusst wahr. Denn sie bewegen sich nicht, sind manchmal klein und unscheinbar gefärbt und befinden sich oft an eher versteckten Stellen. Wenn sie groß und auffällig gefärbt sind, dann werden sie oft nicht als Schwamm erkannt, sondern zum Beispiel mit Korallen verwechselt.
Es macht also durchaus Sinn, einen näheren Blick auf Krusten, Überzüge, Knollen, Bäumchen und Becher zu werfen. Sieht man die runden Ausströmöffnungen und eventuell ein Kanalsystem, das auf diese Öffnungen zuläuft, dann haben wir einen Schwamm vor uns. Die Artbestimmung ist unter Wasser nicht möglich, denn dazu ist die mikroskopische Analyse der Sklerite erforderlich.

Quartiergeber und Zerstörer
Es gibt noch einen Grund, einen näheren Blick auf Schwämme zu werfen, denn sie sind das Quartier für viele Untermieter. Die Oberfläche mancher Schwämme ist dicht besiedelt mit den Röhren kleiner Borstenwürmer, an den Schwammrändern findet sich manchmal eine Ansammlung von Haarsternen. Sie nützen diese strömungsexponierte Position, um ihrerseits Plankton aus dem Meerwasser zu fischen. Die wahren Untermieter befinden sich aber im Schwamminneren. Sein reich strukturiertes Kanalsystem bietet Lebensraum für zahlreiche kleine Krebse, Borstenwürmer und Schlangensterne, die hier vor Fressfeinden gut geschützt sind.
Nur wenige Tiere fressen an Schwämmen. Dazu gehören einige Nacktschnecken, aber auch Meeresschildkröten verschmähen Schwämme nicht. Im Korallenriff können verschiedene Schwammarten durch Bohrtätigkeit und Raumkonkurrenz Korallen schädigen, andererseits wirken sie durch Verkittung von Korallenschutt stabilisierend.

Schwämme im Mittelmeer
Wenn wir im Mittelmeer nach Schwämmen suchen, so werden wir am ehesten an Überhängen, in Grotten und Höhlen der Felsküste fündig. Wegen der Lichtarmut dieser Stellen fällt die Raumkonkurrenz durch Pflanzen weg und Schwämme können sich als flächige Überzüge etablieren.
Mit einer UW-Lampe können wir diese Wände ausleuchten, dann wird die Farbenpracht dieser Schwämme sichtbar. Viele von ihnen sind rot bis orange gefärbt.
Im flachen Wasser finden wir auf Felsböden und im Wurzelbereich von Seegraswiesen die leuchtend gelben Zylinder des Goldschwammes Aplysina aerophoba. Auf etwas tieferen Sand- und Schlickböden lebt der ballenförmige Kieselschwamm Geodia cydonium. Dieser besitzt an der Oberfläche zahlreiche kleine Kieselnadeln, die bei Berührung unsere Haut empfindlich reizen können.
Der bekannte Badeschwamm Spongia officinalis ist von massiger Gestalt, kommt in Höhlen schon in geringer Tiefe vor, in freien Felslagen aber erst in größeren Tiefen. Wegen seines weichen, nadellosen Skeletts wird dieser Schwamm bereits seit dem Altertum gesammelt und in Heilkunde, Kosmetik und Handwerk genützt.

Um das Faserskelett zu erhalten, muss der Schwamm geknetet und gewaschen werden, wodurch das Körpergewebe entfernt wird. Danach wird das Skelett in der Sonne oder mit chemischen Mitteln gebleicht. Durch Übersammlung und Krankheiten gingen seine Bestände zurück, Zuchtprojekte sollen diesen Rückgang bremsen.
Das gewaschene, gebleichte und getrocknete Skelett des Badeschwammes Spongia officinalis enthüllt das reiche Hohlraumsystem, das für die große Speicherfähigkeit des Schwammes verantwortlich ist.

Die Schwammstadt
Schwämme haben die Fähigkeit, ein Vielfaches ihres Körpergewichts an Wasser aufzunehmen und zu speichern. Diese Eigenschaft macht sie als Vorbild für neue Stadtbaukonzepte interessant.
Die schlimmen Folgen großflächiger Bodenversiegelung und des Bestrebens, alles Wasser möglichst schnell abzuleiten, machen sich in der laufenden Klimakrise deutlich bemerkbar. Daher setzen neue städtebauliche Konzepte auf die gegenteilige Strategie. Grünflächen, Bäume, Rückhaltebecken und unterirdische Zisternen sollen in der „Schwammstadt“ Wasser aufnehmen und damit Bäche, Flüsse und Kanalisation bei Starkregen entlasten.
Tokio, die größte Stadt der Welt, hat diese Strategie bereits in Angriff genommen und eine riesige Zisterne unterhalb der Stadt errichtet – ein wundervolles Beispiel dafür, wie uralte Strategien der Natur von uns nutzbringend angewendet werden können.
Fotos: Reinhard Kikinger