Die Stars der Meere | ocean7

Die Stars der Meere

von | Dez. 5, 2021

Seesterne zählen nicht nur wegen ihrer sternförmigen Gestalt zu den Stars unter den Meeresbewohnern. Auch ihr hoher Bekanntheitsgrad macht sie zu VIPs der Unterwasserwelt … 

Von Dr. Reinhard Kikinger

Mehrere Lippfische (Coris julis) und ein Schriftbarsch (Serranus scriba) interessieren sich für die Bewohner dieses Steines. Dazu gehören auch Blaue Seesterne (Coscinasterias tenuispina). Die Grundfärbung dieses Seesternes ist braun, er besitzt aber blaue, gelbe und weiße Flecken. Die Zahl seiner Arme beträgt meist zwischen sieben und zehn, an der Oberseite der Arme befinden sich Stacheln. Im Bildvordergrund ist die Schale eines Violetten Seeigels (Sphaerechinus granularis) zu sehen.Unicode

Wohl jeder von uns kann Seesterne als solche erkennen und von anderen Meerestieren unterscheiden. Neben Fischen, Muscheln und Schnecken sind Seesterne jene Tiere, die in unserer Vorstellung das Meer am besten repräsentieren. Woran mag das liegen? Wahrscheinlich daran, dass sie von Tauchern und Schnorchlern häufig gesehen werden. Im Gegensatz zu versteckt lebenden und kleinen Organismen sind sie oft farbenprächtig, groß und kaum zu übersehen. Obwohl sie jeder erkennt, stecken sie doch voller Geheimnisse: Wo ist bei Seesternen vorne, wo hinten? Wie bewegen sie sich fort? Was fressen sie, wer sind ihre Verwandten und wie vermehren sie sich?

Mit seiner kräftigen Rotfärbung ist der Purpurstern (Echinaster sepositus, Abb. links) deutlich sichtbar, auch wenn er in Algenbeständen so wie hier unterwegs ist. Dieser Seestern hat ein weites Verbreitungsgebiet. Man findet ihn an der Atlantikküste von der Bretagne bis zu den Kapverdischen Inseln sowie im gesamten Mittelmeerraum. Er ist vom küstennahen Flachwasser bis in größere Tiefen anzutreffen und auch im Aquarium gut haltbar. Lokal ist er leider selten geworden, da er von unbedachten Urlaubern in großer Zahl entnommen und als Souvenir getrocknet wird.
Viele tropische Seesterne sind besonders farbenprächtig – dazu gehört auch der Rote Maschenstern (Fromia monilis, Abb. rechts). Diese Art wird nur etwa acht Zentimeter groß, ist wegen ihrer Buntheit aber kaum zu übersehen. 

Fossile Funde belegen, dass Seesterne seit über 400 Millionen Jahren die Ozeane bewohnen. Heute sind um die 1.600 Arten von Seesternen aus allen Meeren und Tiefen bekannt. Sie zählen zu einer Gruppe von Tieren, die Stachelhäuter (Echinodermata) genannt werden. Dieser Name bezieht sich auf das Skelett, das aus Kalkplättchen besteht und häufig Stacheln trägt. Neben den Seesternen zählen die Seeigel, die Seegurken sowie die Schlangen- und Haarsterne zu dieser Gruppe. 

Systematik
Stamm:  Stachelhäuter (Echinodermata)
Klasse:   Haarsterne (Crinoidea)
Klasse:   Seegurken (Holothuroidea)
Klasse:   Seeigel (Echinoidea)
Klasse:   Seesterne (Asteroidea)
Klasse:   Schlangensterne (Ophiuroidea)

Auf der Unterseite dieses umgedrehten Großen Kammseesternes sind die zahlreichen Stacheln, die fünf Armrinnen mit Füßchen und die zentrale Mundöffnung zu sehen. Die starr aussehenden Arme des Seesterns sind erstaunlich flexibel. Das nützt er, um sich geschickt in seine Normallage zurück zu drehen.

Sternförmige Spezialisten
Seesterne haben einen sternförmigen Umriss mit einer zentralen Körperscheibe und meist fünf Armen. Die Mundöffnung befindet sich an der Unterseite der Körperscheibe. Ein Vorder- und Hinterende gibt es nicht, denn sie sind radiär symmetrisch. Sie können sich in jede Richtung bewegen. Das tun sie mit hunderten kleinen Füßchen, die sich in den Armrinnen befinden und durch ein kompliziertes hydraulisches System gesteuert werden. Bei felsbewohnenden Arten tragen diese Füßchen zusätzlich kleine Saugnäpfe, mit denen sie sich am Fels festhalten können. Seesterne der Sandböden haben stattdessen spezielle Stacheln und Füßchen, mit denen sie sich rasch eingraben können.

Der Kleine Kammseestern (Astropecten sp.) erinnert ein wenig an Christbaumschmuck. Seine fünf Arme sind seitlich mit kurzen Stacheln besetzt. Er ist im Mittelmeer und Atlantik auf sandigen Böden zu finden, häufig ist er auch im Sand vergraben. 
Der Große Kammseestern (Astropecten aranciacus) ist ein Sandboden-Spezialist. Mit speziellen Grabstacheln gräbt er sich ein und verschwindet im Sand. Tagsüber ist er meist im Sand verborgen, nachts geht er auf Jagd. Auf seinem Speiseplan stehen vor allem Schnecken.

Fressen und gefressen werden
Die meisten Seesterne ernähren sich räuberisch oder sind Allesfresser. Zu ihrer bevorzugten Beute zählen langsame Tiere wie Schnecken und Muscheln. Einige Arten ernähren sich auch von Korallenpolypen.

Die Dornenkrone (Acanthaster planci) kann bis 70 Zentimeter groß werden und mehr als 20 Arme besitzen. Ihre Hauptnahrung sind Korallenpolypen. Wenn diese Seesterne in großer Zahl auftreten, können sie ganze Riffabschnitte
leerfressen. Die Stacheln sind auch für unvorsichtige Taucher gefährlich. Dieser Seestern besitzt einen giftigen Hautschleim, der durch den Stich der Stacheln in die Wunde gelangt und sehr schmerzhaft ist.

Für die berüchtigte Dornenkrone (Acanthaster planci) sind Korallen sogar die Hauptnahrung. Massenauftreten dieses Seesterns führen zu schweren Schäden im Korallenriff. Als Auslöser für dieses temporäre Massenauftreten der Dornenkrone werden unterschiedliche Ursachen diskutiert, unter anderem auch der Rückgang einer großen Schnecke, des Tritonshorns (Charonia tritonis). Sie frißt die Dornenkrone, wird aber wegen ihrer schönen Schale leider häufig gesammelt, getötet und in Souvenirläden angeboten.

Nicht jeder rote Seestern ist ein Purpurstern. Der Violett-Rote Seestern (Ophidiaster ophidianus) hat fünf lange, zylindrische Arme, die an ihrer Basis verschmälert sind. An der Oberseite sind die Arme gefleckt. Die Unterseite des Seesterns zeigt die zentrale Mundöffnung, in der sternförmig die fünf Armrinnen zusammenlaufen. Auch dieser Seestern kann auf Felsböden im Mittelmeer und im Ostatlantik gefunden werden.

Trickreiche Fortpflanzung
Zu den erstaunlichsten Fähigkeiten der Seesterne zählt ihr phantastisches Regenerationsvermögen. Das wird nicht nur zur Heilung von Verletzungen eingesetzt, sondern auch zur Fortpflanzung. Manche Seesternarten werfen Arme ab, die sich zu kompletten neuen Seesternen entwickeln. Der aufmerksame Taucher kann diese ungeschlechtliche Form der Fortpflanzung häufig beobachten. Aber auch sexuell pflanzen sich Seesterne fort, indem sie Eier und Samen in das umgebende Wasser entlassen. Aus dem befruchteten Ei entwickelt sich eine winzige Larve, die als Teil des Planktons in der Meeresströmung driftet. Sie durchläuft nach einiger Zeit eine Metamorphose, sinkt zu Boden und beginnt ein neues Leben als Seestern.

Sex im Riff: Seesterne sind getrennt geschlechtlich, es gibt also Männchen und Weibchen. Die Gameten (Samenzellen und Eizellen) werden frei in das Wasser entlassen. Um die Gameten der Strömung zu übergeben, krümmen sich die Seesterne nach oben, wenn sie ihre Eier und Samen (siehe Pfeil, Abb. links) freisetzen.

Artenschutz
Leider werden auch Seesterne so wie Muscheln, Schnecken, Seepferdchen und viele andere Meeresbewohner als Souvenirs missbraucht. Dafür sterben sie zu tausenden und enden als ausgebleichtes und oft stinkendes Andenken.

“Seesterne eignen sich nicht als Souvenir. Die getrockneten Tiere
beginnen zu stinken und verlieren ihre schönen Farben.”

Der umweltbewusste Urlauber verhält sich anders. Er genießt die Schönheiten der Unterwasserwelt, ohne sie zu plündern und zu zerstören. Dazu gehört die Bereitschaft, keine Meerestiere zu berühren, sie nicht aus dem Wasser zu heben und auch keine Souvenirs zu kaufen, die aus dem Meer stammen. Denn wäre es nicht schade, wenn die „Sterne des Meeres“ verloren gingen?

Sieht aus wie ein Nadelkissen, ist aber ein Seestern. Der Kissenstern (Culcita novaeguineae) hat die Arme reduziert und besitzt einen massiven Körper. Er kann 20 Zentimeter Durchmesser erreichen und ernährt sich von Organismen des Korallenriffs. 
Die Oberfläche des Kissensterns ist reich strukturiert und farblich sehr variabel. Beobachter, die einen Blick für das Detail entwickeln, werden durch erstaunliche Entdeckungen belohnt. Diese Nahaufnahme zeigt sieben winzige Garnelen (siehe Pfeile), die auf der Oberfläche eines Kissensterns leben. Die Garnelen (Periclimenes sp.) sind perfekt getarnt und häufig mit dieser Seesternart vergesellschaftet.
Zwei umgedrehte Kissensterne offenbaren eine seltene Mutante. Der linke Seestern hat die charakteristische Zahl von fünf Armrinnen und einen pentagonalen Umriss. Das rechte Exemplar dagegen hat sechs Armrinnen und einen hexagonalen Umriss. Diese Variante kommt bei Kissensternen nur sehr selten vor.
Der bis zu 70 Zentimeter große Eisstern (Marthasterias glacialis) ist der größte Seestern des Mittelmeeres.  Auf seiner Speisekarte stehen hauptsächlich Muscheln, aber auch Seeigel, Krebse und die Reste toter Organismen verschmäht er nicht. Sein Lebensraum ist vor allem die Felsküste, wo er von der Wasseroberfläche bis unter hundert Meter Tiefe zu finden ist. Im Ostatlantik reicht sein Verbreitungsgebiet von Norwegen bis nach Südafrika.

Literatur
Goldschmid, A. (2003). Echinodermata, Stachelhäuter. In: W. Westheide & R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 1. Einzeller und Wirbel- lose Tiere. Spektrum, Heidelberg.
Gosliner, T.M., D.W. Behrens & G.C. Williams (1996). Coral Reef Animals of the Indo-Pacific. Sea Challengers, Monterey California.

Dieser Artikel erschien in OCEAN7 12/2007. Wissenschaftliche Artnamen wurden in dieser Online-Version aktualisiert und gemäß WoRMS (World Register of Marien Species) auf den letzten Stand gebracht.

Dr. Reinhard Kikinger ist Meeresbiologe, langjähriger Kursleiter an der Universität Wien, an Feldstationen im Mittelmeer und auf den Malediven und schreibt seit 2007 für ocean7.

Fotos: Dr. Reinhard Kikinger

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