Gold, Silber, Dukaten und Juwelen sind die Zutaten, mit denen der Begriff Schatzinsel üblicherweise gewürzt ist. Die kroatische Insel Mljet bietet Schätze anderer Art: Süß- und Salzwasserseen, herrliche Küstenlandschaften, einen Nationalpark, die größte Korallenbank des Mittelmeeres und die Höhle des Odysseus. Diese Naturschätze sind es, die Mljet zu einer Schatzinsel machen.
Von Dr. Reinhard Kikinger

Neben vielen Naturschönheiten finden sich auch archäologische Schätze auf der Insel. In der von Seglern häufig angelaufenen Bucht von Polače sind die mächtigen Reste eines römischen Palastes zu sehen. Vor 2.000 Jahren führten römische Handelsrouten hier vorbei. Die geschützte Bucht von Polače war jedoch eine Hochburg illyrischer Piraten, die von hier aus römische Galeeren überfielen. Zahlreiche Wracks und Amphoren entlang der Küste von Mljet bezeugen das. Schließlich vertrieben die Römer die Illyrer aus dieser Bucht und errichteten eine Residenz, die Villa Rustica. Die Römer brachten ihre Religion, ihre Gebräuche und ihren Lebensstil auf die Insel. Auch die Kultur von Wein und Oliven geht auf sie zurück. Die Bedeutung des Ortes als Hafen wuchs und zwischen dem 4. und 6. Jh. errichteten Römer hier einen luxuriösen Palast. Es war eines der größten römischen Gebäude in Dalmatien. Im 12. Jh. wurde Polače von Slawen zerstört. Später legten Benediktiner das Fundament für das heutige Polače, als Baumaterial dienten ihnen die Steine des römischen Palastes.

Bild rechts: Hafen-Stillleben zwischen einem Restaurant und einem Fahrradverleih. Zwei Dinge sind mir unbegreiflich: Wie kann man als Restaurant-Besitzer oder Fahrrad-Verleiher diesen Müll vor der Haustüre tolerieren? Wie kann man als Tourist ein Restaurant wählen, das von Müll umgeben ist? Anmerkung: Wir befinden uns hier im Nationalpark!
Der Nationalpark
Mljet ist eine schmale, langgestreckte Insel mit einer Fläche von ca. 100 km2. Der nordwestliche Teil der Insel wurde 1960 zum Nationalpark erklärt. Er ist mit Aleppo-Kiefern (Pinus halepensis), Steineichen (Quercus ilex) und Macchie dicht bewaldet. Das Herzstück des Nationalparks sind zwei Seen. Der größere der beiden Seen (Veliko Jezero) ist durch einen Kanal beim Fischerdörfchen Soline mit dem offenen Meer verbunden. Gezeitenströmungen sorgen für regelmäßigen Wasseraustausch. Auf einer kleinen Insel in diesem See steht ein Benediktinerkloster aus dem 12. Jh., das der heiligen Maria geweiht ist. Die spezielle Atmosphäre dieser Insel hat im Lauf der Zeit zahlreiche Schriftsteller und Komponisten angezogen, heute ist sie ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen aus aller Welt.

Ein schmaler Kanal verbindet den Großen mit dem Kleinen See (Malo Jezero). Eingebettet zwischen dicht bewaldeten Ufern ist er eine Oase der Ruhe. Die beiden Seen sind mit Kanus zu befahren und die Uferpromenaden können per Fahrrad erkundet werden. Weit verzweigte Wanderwege führen zu den schönsten Aussichtspunkten. Spektakulär ist der Blick vom Gipfel des Montokuc. Der Blick schweift über die beiden Seen bis zu den Nachbarinseln Korčula und Lastovo und zu der Halbinsel Pelješac.

Die Geschichte der beiden Seen
Die Seen gehen auf Einsenkungen der Karstlandschaft zurück. Regenfälle füllten im Lauf der Erdgeschichte diese Einsenkungen und es entstanden Süßwasserseen. Sie entwickelten sich erst zu Salzwasserseen, als bei der Ortschaft Soline ein natürlicher Durchbruch zum offenen Meer entstand. Dieser Soline-Kanal ist entscheidend für den Wasseraustauch und damit für die Lebensbedingungen in den Seen. Ihre Salinität entspricht mit 37 ‰ derjenigen des offenen Meeres, die Wassertemperatur beträgt im Sommer um die 26 °C. Der Große See besitzt eine Fläche von 1,45 km2, der Kleine See ist nur 0,25 km2 groß. Beide sind mit 46 m (Großer See) und 29 m (Kleiner See) erstaunlich tief.
Rekorde bei Korallen und Steckmuscheln
Der wertvollste Schatz der Insel verbirgt sich im Großen See (Veliko Jezero). An einer speziellen Stelle finden sich ab einer Wassertiefe von etwa 4 m polsterförmige Korallenstöcke und erstrecken sich in die Tiefe soweit das Auge reicht. Es ist die Rasenkoralle Cladocora caespitosa, die hier üppig gedeiht und sich über eine Fläche von 650 m2 ausbreitet. Im gesamten Mittelmeer ist keine vergleichbar mächtige Korallenbank bekannt. Der einzige Grund, nicht von einem Korallenriff zu sprechen, ist, dass die Korallen nicht bis an die Wasseroberfläche reichen, was definitionsgemäß bei einem Riff der Fall ist.

Auch der kleinere der beiden Seen (Malo Jezero) besitzt einen biologischen Schatz: reiche Bestände der Mittelmeer Steckmuschel Pinna nobilis. In weiten Teilen des Mittelmeeres ist sie selten geworden oder verschwunden, weil sie wegen ihrer großen, attraktiven Schalen und wegen ihres schmackhaften Fleisches übersammelt wird. Im Schutz des Nationalparks hält sich hier ein exzellenter Bestand dieser größten Muschel des Mittemeeres.

Bild rechts: Die Rasenkoralle besteht aus vielen einzelnen Korallenpolypen, einige haben die Tentakel ausgestreckt. Bei genauer Betrachtung sieht man auch vegetative Vermehrung durch Sprossung einzelner Korallenpolypen.
Die Höhle des Odysseus
Der Legende nach strandete Odysseus an der Felsküste der Insel Mljet. Unterhalb der Ortschaft Babino Polje erreicht man nach 30-minütigem Abstieg die schroffe Felsküste mit der „Höhle des Odysseus“. Sie ist groß und eindrucksvoll und nach Kriterien der Meereshöhlen-Terminologie keine Höhle, sondern eine Grotte, da ihr Eingang teilweise über Wasser liegt.


Dieser Artikel erschien in OCEAN7 2/2015. Wissenschaftliche Artnamen wurden in dieser Online-Version aktualisiert und gemäß WoRMS (World Register of Marien Species) auf den letzten Stand gebracht.

Fotos: Dr. Reinhard und Lilly Kikinger
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