Smoke on the Water | ocean7

Smoke on the Water

von | Okt 11, 2023

Die Frauscher 1212 Ghost Air ist ein minimalistischer Bowrider – klassisch und ultramodern. Wir haben den Gewinner des Design Innovation Awards (Kategorie „Motorboote – bis 14 Meter“) und den österreichischen Finalisten des Best of Boats Awards 2023 (Kategorie Best for Performance) an der Cote d’Azur getestet. 
Von Kerstin Zillmer


Der neue Bowrider aus dem Hause Frauscher. © Ralph Fischbacher

Letztes Mal fuhr ich hier in Port Grimaud zusammen mit Stefan Frauscher auf der 1212 Ghost. Jetzt wartet die erste 1212 Ghost Air, die offene Version, auf mich. Am Vorabend der Probefahrt präsentiert Frauscher beim Cocktail in seiner französischen Dependance an der Cote d’Azur seine Geisterserie. Wie Perlen liegen sie aufgefädelt am Steg: Mirage, Fantom, Ghost und Demon, als Runabouts oder als Air-Versionen. Jetzt funkelt in der Mitte in Messing-Metallic die neue 1212 Ghost Air. Ich lerne den „offenen Geist“ im warmen Abendlicht kennen.
Es ist immer wieder spannend, wie die Edelwerft am Traunsee den Raum auf jedem Boot perfekt zu definieren weiß. Eine Frauscher ist weit mehr als ein Rumpf, ein Steuerstand, Sitzflächen und ein Deck. Eine Frauscher ist Design, Platz, Atmosphäre und Performance.


Frauscher 1212 Ghost, oben in der offenen “Air”-Version. © Rainhard Lehninger

Tanzfläche, Sonnenliege, Tisch
Der gesamte Bugbereich des 12 Meter langen und 3,50 Meter breiten Boots ist offen. Wenn man will, kann man hier tanzen. Nicht zu zweit, sondern zu siebt, so groß ist die Fläche. Wir haben es ausprobiert, haben sprichwörtlich auf dem Tisch getanzt, der sich am Rand sanft abgerundet nur wenig vom Boden abhebt. Um uns dann in die rundherum gepolsterten cremefarbenen Sitzflächen fallen zu lassen.
Nur ein Knopfdruck und die Fläche fährt auf Sitzhöhe und bildet mit zwei zusätzlichen Polstern eine Liegefläche, auf der sich sechs ausgewachsene BoB-Bootstester nach der Testfahrt beim Radler lümmeln. Vier Carbon-Stangen in die Halterung gesteckt und das Bimini eingehakt, schon ist auf ganzer Fläche Schatten. Wieder den Knopf gedrückt, fährt der Tisch eine Etage höher. Nun kann gesessen und gegessen werden.


Der gesamte Bugbereich des 12 Meter langen und 3,50 Meter breiten Boots ist offen. © Rainhard Lehninger

Vom Bug aus schaut man auf eine Tür unterhalb des rauchgrauen gläsernen Steuerstands. Öffnet man sie, tut sich ein Raum auf, den man so nicht erwartet. Ein lichtes Badezimmer, verspiegelt und so groß, dass man sich dort bequem stehend nach einer wilden Fahrt das Haar bändigen und den Lippenstift nachziehen kann. Oder duschen, wenn man doch beschlossen hat, die Nacht in der Bucht zu verbringen, weil der Rosé so gut war.
Denn es gibt eine Etage tiefer auch ein Bett, groß und hoch genug, dass zwei Personen hier bequem schlafen und sich aufsetzen können. Besonders schön machen sich die Holzarbeiten, die Verkleidung aus Eiche wirkt sphärisch. Dänen würden sagen: Es ist hyggelig, und auch die verstehen viel von Design.


Vom Bug aus schaut man auf die Tür, die in die Kabine unten führt. © Rainhard Lehninger

40 Fuß neu definiert
Ich spreche mit dem Chefentwickler Michael Frauscher über die 1212 Ghost Air. Er sagt: „Wir bei Frauscher sehen die Dinge immer recht extrem. Zuerst, und vor allem anderen, muss ein Boot schön sein. Dann folgt direkt die Performance. Und Qualität haben muss es sowieso.“ Das Entwicklungsteam rund um Thomas Gerzer und Stephan Everwin hat die Philosophie der Air-Reihe konsequent weiterentwickelt.
Schönheit sieht man auf diesem Boot, wie es heißt, an allen „Ecken und Kanten“. Und gerade weil sie nicht eckig oder kantig sind, sondern abgerundet, ist diese neue Kreation von Frauscher so besonders schön. Die Deckskante fällt nach außen ab und definiert damit den Rumpf. Die Bauteile an Deck, wie der Kühlschrank, senken sich leicht nach innen ab.
Die Designsprache im Automotive-Bereich ist oft martialisch und wird auch im Bootsbereich immer wieder gerne aufgenommen. Frauscher, die als eine der ersten das Design vom Sportwagen aufs Boot übertrugen, als sie mit Kiska Design ihren typischen Frauscher-Look mit den seitlich angedeuteten Lufteinlässen und der Z-Linie entwickelten, schlagen nun eine ausgewogenere Richtung ein.

„Der Designer Stephan Everwin ist ein gefühlvoller Denker, sagt Michael Frauscher“. Man sieht es an seiner Formensprache, die maskulin und feminin zugleich, weich und gleichzeitig kraftvoll wirkt. Harmonisch und ästhetisch. Alles funktioniert an Bord leicht und ist zugleich stark. Hebt man die Kühlschrankklappe an, spürt man am Gewicht die Qualität, doch sie schließt mit einem Gefühl der Leichtigkeit. Details, die im täglichen Gebrauch wie hier beim Kühlschrank wichtig sind. Und eben schön. Der elektrische Ankerkasten hebt sich sanft, der Anker entwickelt sich und gleitet leise ins Wasser. Ein Beispiel guter Elektrotechnik. Das Decksholz ist Teak. Es stammt aus kontrollierter Herkunft und ist wunderbar verarbeitet.


Der elegante Steuerstand liegt exakt auf der Mittschiffslinie. © Ralph Fischbacher

Auf der 1212 Ghost Air ist der Steuerstand etwas nach hinten versetzt. Mit dem großen Raum im Bug braucht es im Cockpit weniger Platz. Und wie schon auf der geschlossenen Ghost liegt der Steuerstand bei der Ghost Air exakt auf der Mittschiffslinie. Das macht das Fahrgefühl ungewöhnlich ruhig, denn am Steuer spürt man die Seitwärtsschwankungen des Boots nicht mehr.
Der Steuerstand verjüngt sich zum Deck hin und bietet viel Platz an den Seiten, um zum Bug zu gehen. Die rahmenlos geschwungene Windschutzscheibe erweitert sich nach oben in einer sanften Krümmung und gibt genug Schutz vor Fahrtwind. Die klassischen Instrumente sind Teil der Frauscher-Formensprache und in allen Lichtsituationen gut ablesbar. Selbstverständlich gibt es auch einen Plotter von Garmin. Der Joystick von Volvo Penta erleichtert das Anlegen im Hafen.


T-Top aus Carbon, Fahrer Stefan Frauscher. © Kerstin Zillmer

Ein Dach überm Kopf ist nichts dagegen
Das aus zwei Teilen gefertigte T-Top der 1212 Ghost ist aus Carbon. Gefertigt wird es nach einem speziellen Verfahren, das auch in der Formel 1 für hochverdichtete Leichtbaumaterialien verwendet wird, die extreme Belastungen aushalten. Wie bei einer Frauscher, die mit über 40 Knoten durch die Welle fährt. Das Dach hält das aus.
Die Kraft, die sich dabei auf das Dach überträgt, wird durch ein Stahlprofil im Rumpf stabilisiert. Die Form des T-Tops hat sich bei der 1212 Ghost Air etwas geändert. Das Carbon liegt nun unter einer Lackschicht und die Fuge in der Mitte ist sichtbar. Frauscher findet das konsequent.


Zwei Volvo Penta D6 mit je 440 PS unter dem Heck. © Ralph Fischbacher

Top-Performance à la Frauscher
Überhaupt ist das Fahrgefühl eine große Freude. Zwei Volvo Penta D6 mit je 440 PS bringen das 8 Tonnen schwere Boot mühelos in Gleitfahrt. Alternativ steht der Mercruiser V8 als Benziner mit jeweils 430 PS zur Verfügung. Auf dem Meer ist bei Welle das Drehmoment des Diesels besser, auf dem Gardasee springt der Mercruiser besser an und hat einen schöneren Sound.
Die Geschwindigkeit ist prächtig. In kürzester Zeit beschleunigen wir auf 44 Knoten bei Kreuzwelle vor St. Tropez. In allen Manövern verhält sich die 1212 Ghost Air sicher wie schon ihre etwas verschlossernere Schwester, die 1212 Ghost. Der Zweistufenrumpf mit dem steilen Steven bewegt das große Boot mühelos durchs Wasser und reagiert auch bei heftigen Manövern souverän und sicher. Die Lenkhydraulik läuft samtweich, es gibt einen automatischen Trimm. Aber wer manuell trimmt, hat noch mehr Spaß und kann das Boot dann auf glatter See wirklich ausfahren. In der unruhigen Welle vor St. Tropez fuhr sie ohne zu trimmen schon perfekt. Im Cruising-Modus fühlt sich die Ghost Air bei rund 25 Knoten am wohlsten und verbraucht durchschnittlich 70 l/h.
Aus der High-End JL-Audio-Soundanlage klingt auf dem Rückweg zum Hafen „Le Temps est bon“. Ja, mit offenem Geist und blauem Himmel ist das Leben wirklich schön, finden wir.


Die Frauscher 1212 Ghost Air ist für den internationalen Best of Boats Award nominiert. © Rainhard Lehninger

Technische Daten
Länge: 11,9 m
Breite: 3,50 m
Motor: 2 x Mercruiser V8 mit 430 PS oder Volvo Penta D6
Z-Antrieb: Bravo IIIx
Gewicht: 8 t
Tank: 850 l
Personen: 12

www.frauscherboats.com
www.bestofboats.com

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