Donnerwetter – jetzt geht’s zur Sache! | ocean7

Donnerwetter – jetzt geht’s zur Sache!

von | Jul 24, 2024

Die Wetterkapriolen werden häufiger, das ist unbestritten. Da ist es nur naheliegend, dass wir in der Ausbildung mit der Frage „Ist es gefährlich, im Gewitter zu segeln?“ konfrontiert werden.

Wie so oft im Leben gibt es auch hier keine klare Auskunft, weil Gewitter eben nicht Gewitter ist. Manchmal brauen sich tiefschwarze Wolken zusammen, es folgt ein Platzregen und schon ist‘s auch wieder vorbei. Ein anderes Mal bringen diese Wolken heftige Böen, der Wind peitscht das Wasser auf, die Sicht ist gleich Null, der Seemann hat alle Hände voll zu tun. Und dann gibt es auch noch Blitz und Donner auf See, und das ist gar nicht lustig.
Wir Seeleute erleben Gewitter sehr direkt und unmittelbar: Zuhause, im Büro oder an Land können wir gemütlich zusehen, wie sich das Gewitter entwickelt und verzieht. Das ist kein Vergleich zu dem, was wir auf See erleben. Und weil wir uns dem stellen müssen und nicht die Nerven wegwerfen dürfen, fasse ich ein paar Aspekte zusammen:

Die Vorbereitung an Bord: Erkenne ich an den Wolkenbildern ein Unwetter, dann müssen das Boot und die Crew vorbereitet sein. Ein altes Prinzip „rechtzeitig reffen“ gilt hier im Besonderen. Lifebelts, Rettungswesten, Strecktaue, Ölzeug, Stiefel – all das muss griffbereit sein. Salon, Pantry und Kabinen sind zusammengeräumt, alles ist sturmsicher verstaut, Kaffee/Tee ist in der Thermoskanne.

Navigation: Wenn sich eine Gewitterfront auftürmt und ich habe einen Hafen oder eine geschützte Bucht in erreichbarer Nähe, dann sind das die besten Optionen. Habe ich diese Mög­lichkeiten nicht, dann müssen wir durch, da hilft alles nichts. Das heißt: Segel bergen, Motor an, Standort in die Seekarte eintragen, sich die Umgebung einprägen, auf Legerwall achten. Die elektronische Navigation kann schneller ausfallen als man denkt.

Schiffsausrüstung: Jeder Schiffseigner soll auf ausreichenden Blitzschutz achten und ausreichende Erdungsplatten installieren. Ein Blitz kann verheerende Zerstörungen anrichten. In einschlägigen Gesprächen wird von fußballgroßen Löchern im Rumpf und von verschmortem elektronischem Equipment berichtet.

Die Crew: An Deck soll sich lediglich die Mindestbesetzung der Crew aufhalten, alle anderen sind unter Deck, und zwar mit einem Respektabstand vor Metallteilen. Die Püttinge der Wanten, der Navitisch, die elektrischen Hauptschalter, all das sind hochgefährliche Positionen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Yacht vom Blitz getroffen wird, ist etwas höher als einen ­Lotto-Sechser zu machen, liegt also so um die 1:8.000.000.

Die größte Gefahr bei Gewittern auf See sehe ich in der stark ein­geschränkten Sicht, im zu späten Reffen und in der falschen Einschätzung oder Reaktion von ­Skipper und Crew. Hier sind die Ausbildungsstätten gefordert, fundierte Lerninhalte zu liefern.

Gottfried Titzl Rieser, langjähriger Ausbildungsreferent des YCA und seit 2022 Commodore des größten Yachtclubs Österreichs. Er ist passionierter Fahrtensegler und hat rund 25.000 Seemeilen in seinen Logbüchern dokumentiert. Sein Motto: „Die See ist der beste Lehrmeister!

Fotos: muratart/Shutterstock, privat

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Ausgabe 04/2024

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