

Gottfried Titzl Rieser ist Ausbildungsreferent des Yacht Club Austria. Er ist passionierter Fahrtensegler, hat insgesamt so um die 20.000 Seemeilen in seinen Logbüchern dokumentiert. Sein Motto: „Die See ist der beste Lehrmeister!“ Immer wieder sieht der ocean7-Kolumnist abenteuerliche Flaggenführungen auf Sportbooten und Charteryachten – vielleicht kann er mit seinen Ausführungen ein bisschen Ordnung in eine stark vernachlässigte Tradition der Seefahrt bringen.
Da sehe ich auf einer Yacht die Piratenflagge – Totenkopf und zwei gekreuzte Knochen darunter. Nach wie vor kann der „Jolly Roger“ zu Problemen mit den Behörden führen – auch wenn Kinder an Bord sind, gehört diese Flagge zu den No-Gos auf See. Der Skipper, der solche Flaggen führt, sollte bedenken, dass von somalischen und auch anderen Seepiraten noch immer Tanker und Yachten überfallen, Seeleute als Geisel genommen oder gar getötet werden!

Gehen wir es systematisch an, es gehört eben zu einer guten Seemannschaft, mit Flaggen ordentlich umzugehen. Korrekte Flaggenführung ist nicht nur Etikette, sondern auch ein wichtiges Informations- und Kommunikationsmittel. Denken wir nur an die Flagge Alpha (Ich habe Taucher im Wasser) oder an die Flagge Q (An Bord ist alles gesund; ich bitte um freie Verkehrserlaubnis; ich habe noch nicht einklariert). Der unschätzbare Vorteil der Flaggen ist die unmittelbare Verständlichkeit – unabhängig von den jeweiligen Sprachen.
Die Nationale
Diese Flagge entspricht der Flagge desjenigen Staates, in dem die Yacht registriert ist. In Österreich ist das die rot-weiß-rote Flagge und bitte: ohne Bundesadler! Die Führung des Wappens ist nur Behörden, Mitgliedern der Bundesregierung und anderen Offiziellen vorbehalten. Die Nationale wird am Flaggstock im Heck der Yacht gefahren, auf einer Ketsch oder Yawl im Topp des Besanmastes. Auf Charterschiffen wird sie meistens im Achterstag befestigt, das ist aber der Vielzahl an abgebrochenen Flaggstöcken geschuldet. Es ist außerdem ein Gebot der Höflichkeit, dass die Nationale nicht als Clubstander unter der Backbordsaling gesetzt wird.
Die Nationale wird übrigens nur tagsüber gesetzt, in der Nacht wird sie entweder eingerollt oder der Flaggstock wird abgenommen.
Die Gastlandflagge
Wenn man in die Gewässer eines anderen Staates einfährt, muss die Flagge des Gastlandes unter die Steuerbord-Saling gesetzt werden. Sie soll größenmäßig in einem vertretbaren Verhältnis zur eigenen Nationale und in gutem Zustand sein. Schmutzige oder zerrissene Gastlandflaggen gelten als grobe Unhöflichkeit.
Oft sieht man speziell auf kleineren Sport- und Schlauchbooten die Gastlandflagge unter der Nationalen: Eine Flaggenführung aus Kriegszeiten (Eine Nation hat die andere besiegt!) – auch das natürlich eine Beleidigung! Die Gastlandflagge wird übrigens wie die Nationale nur tagsüber gesetzt.
Der Clubstander
Den Ursprung der „Clubflaggen“ findet man im Mittelalter, wo die Standarten als Bestätigung der Anwesenheiten von Truppenführern oder Herrschern vorangetragen wurden. Heutzutage haben Clubstander eine ähnliche Funktion: Wenn ich einen Spaziergang im Hafen mache, freue ich mich jedes Mal, wenn ich einen Clubstander meines Segelclubs entdecke. Er wird im Großtopp gesetzt. Allerdings ist das bei den meisten Yachten technisch nicht möglich, also setzt man den Clubstander unter die Backbordsaling. Es entspricht keiner guten Seemannschaft, wenn irgendwelche Flaggen als „Clubstander“ gesetzt werden – ein Segelclub ist ein Segelclub!
Signalflaggen
In der Berufsschifffahrt und bei Regatten werden Flaggen entsprechend dem internationalen Signalbuch gesetzt. Üblicherweise werden sie auf der Backbordseite gehisst. Abgesehen von den Regattasignalen sollen auf hoher See keine Flaggen übereinander gesetzt werden, damit es zu keiner Verwechslung mit dem internationalen Notsignal „NC“ (Ich bin in Not und benötige sofortige Hilfe) kommt.
Die Flaggenparade
Langzeit- oder Weltumsegler setzen bei Rückkehr und Einlaufen in ihren Heimathafen unter der Backbordsaling oder über die Toppen (Vorstag und Achterstag) die Nationalflaggen jener Länder, die sie auf ihrer Reise besucht haben. Diese Flaggenparade gibt es auch bei großen Festlichkeiten im Hafen.
Fotos: Shutterstock, privat
Hi, Gastlandflagge und Nationale sind klar.
Gibt es eine Regelung über National Flaggen der Crew? LG Andreas Hofer
Ja, es gibt klare Regelungen: Für die Nationalität der Crew gibt es keine Beflaggung. Flaggen dienen ja der Kommunikation und der Information, und sie gelten international, egal ob Handelsschiff, Kreuzfahrtschiff oder Segel- oder Motoryacht. Allerdings gibt es für Yachten auch nationale Regelungen. Folgende Flaggen dürfen gesetzt werden:
– Flagge des Heimathafen (am Bug)
– Gastlandflagge (an der Steuerbordsaling)
– Signalflaggen (an der Steuerbordsaling) – z.B. an Bord ist alles gesund, ich steche bald in See u.a.
– Clubstander der Yacht, des Skippers oder der Reederei (an der Backbordsaling oder im Topp)
– Nationale (am Heck)
Es ist eine Unart, dass die Nationale gesetzt wird, um zu zeigen, aus welchen Ländern die Crew kommt. Manchmal wird es sogar als Unhöflichkeit gesehen – sowohl der seegängigen Nation gegenüber (sie ist ja kein Club) aber auch dem Gastland oder dem Land, in der man sich gerade befindet gegenüber, weil ja damit die Nationale abgewertet werden. Ich bin vor kurzem mit Deutschen, Italienern und ich als Österreicher unterwegs gewesen, das hätte ein schönes Durcheinander an Flaggen gebracht.
Seemännische Grüße
Gottfried Rieser