Seeanemonen werden auch Seerosen oder Aktinien genannt. Diese Bezeichnungen verdanken sie ihrem blumenartigen Aussehen. Sie sind aber keine Pflanzen, sondern Tiere. Ihre pflanzengleiche Körpergestalt und ihre meist festsitzende Lebensweise hat sogar die frühen Naturforscher verunsichert. Man entzog sich der Verlegenheit, indem man die ganze Gruppe kurzerhand „Anthozoa“, das heißt „Blumentiere“, nannte.
Steckbrief einer Seeanemone
Diese Tiere zählen zu den auffälligsten Meeresbewohnern, weil sie oft bunt gefärbt sind. Sie besitzen einen mehr oder weniger zylindrischen Körper. Am oberen Ende befindet sich die Mundscheibe mit einer zentralen Mundöffnung. Diese ist von einem oder mehreren Tentakelkränzen umgeben. Die Tentakel sind mit Nesselkapseln bestückt und können unterschiedliche Form und Länge haben. Die Tentakel sind hohl und mit dem Magen (Gastralraum) der Anemone verbunden. Am unteren Ende des zylindrischen Körpers ist meistens eine Fußscheibe entwickelt, mit der sich das Tier am Untergrund festhält. Auf Sandböden lebende Anemonenarten haben stattdessen einen fleischigen Fuß, mit dem sie sich im weichen Sediment eingraben können. Gut entwickelte Längs- und Ringmuskulatur erlaubt es den Anemonen, sich bei Störung rasch zu kontrahieren. Sie besitzen kein Skelett.
Systematik
Stamm CNIDARIA (Nesseltiere)
–> Klasse ANTHOZOA (Blumentiere)
–> Unterklasse HEXACORALLIA (Sechsstrahlige Korallen)
Ordnung Actiniaria (Seeanemonen)
Ordnung Antipatharia (Dörnchenkorallen)
Ordnung Corallimorpharia (Scheibenanemonen)
Ordnung Scleractinia (Steinkorallen)
Ordnung Zoantharia (Krustenanemonen)
Stichworte zur Biologie
Die meisten Arten der Seeanemonen sind getrennt geschlechtlich, es gibt also Männchen und Weibchen. Die Befruchtung der Eier erfolgt entweder im freien Wasser nach Abgabe der Gameten, oder intern im Gastralraum der weiblichen Tiere. Die entstehende Larve (Actinula) ist für mehrere Wochen Teil des Planktons, wird durch Strömungen verdriftet, setzt sich schließlich an geeigneter Stelle fest und wächst zu einer neuen Seeanemone heran. Falls dieser Standort allen Anforderungen entspricht wird die Anemone für viele Jahre dort bleiben. Bei ungünstigen Bedingungen wird sie langsam wegwandern. Je nach Art bevorzugen die Anemonen unterschiedliche Lebensräume. Man findet sie von der Wasseroberfläche und Fluttümpeln bis in große Tiefen. Sie besiedeln Felsküsten, Sandböden und Korallenriffe.
Gesellige Lebensweise
Obwohl Seeanemonen mit Nesselkapseln bewehrt sind und daher von vielen Tieren gemieden werden, suchen gerade deswegen einige Spezialisten ihre Nähe. Das bekannteste Beispiel sind die Anemonen- oder Clownfische der Gattungen Amphiprion und Premnas. Sie leben in enger Gemeinschaft mit ihrer Wirtsanemone, werden von ihr nicht genesselt, und sind zwischen den schützenden Tentakeln der Anemone vor Freßfeinden sicher.
Auch einige Krebse leben zusammen mit Seeanemonen. Zarte Garnelen der Gattung Periclimenes sind an diesen sehr speziellen Lebensraum zwischen den Tentakeln farblich hervorragend angepasst und sind schwer zu entdecken. Porzellankrebse der Gattung Neopetrolisthes haben sich ebenfalls das Revier zwischen den Anemonententakeln erobert. Und schliesslich leben etliche Seeanemonen in einer Endosymbiose mit einzelligen Algen, sogenannten Zooxanthellen. Diese Symbionten versorgen die Anemone mit Assimilationsprodukten ihrer Photosynthese und machen sie unabhängiger von der üblichen Plankton Nahrung.
Verwandtschaft und Verwechslungen
Seeanemonen zählen zu dem Tierstamm Cnidaria, den Nesseltieren. Innerhalb dieses Stammes werden sie den Anthozoa, den Blumentieren, zugeordnet. Wegen innerer und äußerer Merkmale zählen sie zu den Hexacorallia. Ihre nächsten Verwandten sind damit unter anderem die Steinkorallen, Scheibenanemonen und Dörnchenkorallen. Etwas weiter entfernt sind die Leder- und Weichkorallen, Venusfächer und Seefedern. Manche Anemonen sind unverwechselbar, weil sie alle charakteristischen Merkmale der Gruppe deutlich zeigen, etwa die Prachtanemone Heteractis magnifica. Andere Anemonenarten sind nicht auf den ersten Blick eindeutig zuzuordnen.
Und schließlich gibt es Meeresbewohner, die Anemonen ähnlich sehen, aber keine sind. Dazu gehören die nahe verwandten Zylinderrosen, die jedoch unterschiedliche Tentakeltypen haben und in einer Röhre wohnen. Steinkorallen besitzen im Gegensatz zu den weichen Anemonen ein hartes Kalkskelett. Scheibenanemonen haben eine andere Anordnung der Tentakel, vermehren sich hauptsächlich vegetativ und sind im Gegensatz zu den meist solitären Anemonen oft in dichten Beständen anzutreffen. Leder- und Weichkorallen sind, anders als die Anemonen, kolonial und besitzen gefiederte Tentakel. Innerhalb der Quallen kann nur die semisessile Mangrovenqualle der Gattung Cassiopea mit Anemonen verwechselt werden. Selbst systematisch weit entfernte Organismen wie Haarsterne, die zu den Stachelhäutern zählen, werden manchmal irrtümlich für Anemonen gehalten. Im Lauf der Evolution haben sich spezielle Lebensformtypen aus verschiedenen systematischen Gruppen gebildet, die denselben Anforderungen mit ähnlichen Anpassungen begegnen. Die Seeanemonen gehören zu den erfolgreichsten und, subjektiv betrachtet, schönsten Modellen dieser Entwicklung.
Literatur
FAUTIN,D.R. & ALLEN,G.R. (1992). Field Guide to Anemone fishes and their Host Sea Anemones.
Western Australian Museum Perth, 157pp. ISBN 0730952169
Dieser Artikel erschien in OCEAN7 05-06/2010. Wissenschaftliche Artnamen wurden in dieser Online-Version aktualisiert und gemäß WoRMS (World Register of Marien Species) auf den letzten Stand gebracht.
Fotos: Dr. Reinhard Kikinger